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Techno der Jaguare

Techno der Jaguare

Titel: Techno der Jaguare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manana Tandaschwili , Jost Gippert
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einer Skala von null bis zehn liegt er im Minusbereich.
    agnes  Halt die Klappe, du blöde …
    lena    Minus zehn ist der.
    agnes  Was hast du für ein Problem, sag mal?
    lena    Du bist gerade das Problem.
    agnes  Willst du mich erpressen?
    lena    Ich will dich warnen.
    agnes  Komm mir nicht mit so einem Mist! Das funktioniert nicht. Du bist nicht meine Mutter. Du bist niemand.
    lena    Genau das gibt mir die Freiheit.
    agnes  Dass Mutter dich all die Zeit behalten hat, das fasse ich nicht. Dass du immer noch …
    lena    Deine Mutter wird mich behalten. Bis zum Schluss.
    agnes  Was?
    lena    Bis zum Schluss.
    agnes  Schluss jetzt!
    lena    Der ist ein schlechter Mann.
    agnes  Mann, verschwinde!
    lena    Dein Glück machst du von Schwänzen abhängig. Das ist nicht gut.
    agnes  Wie bitte?
    lena    Na ja, schau dich doch an.
    agnes  Ist das jetzt eine Provokationstaktik? Wenn ich sie lange genug reize, wird sie schon nachgeben?
    lena    Das ist der Niemandsbonus.
    agnes  Okay, okay. Was weißt du?
    lena    Nichts.
    agnes  Beobachtest du mich? Verfolgst du mich? Hast du dich vielleicht unter meinem Bett versteckt oder an meiner Zimmerwand gelauscht? Hast du gesehen, wie ich nachts weggeschlichen bin? Oder hast du mich im Garten Schwänze lutschen sehen?
    lena    Ich habe dich angesehen. Das ist alles. Mir dich genau angesehen.
    agnes  Und was soll dich das alles angehen, egal, wie du mich angesehen hast?
    lena    Mich geht es so lange was an, solange ich hier bin. Unter einem Dach mit dir.
    agnes  Aber ein Niemand hat keine Meinung. Hat keine zu haben.
    lena    Ich bin halt ein Niemand mit einer Meinung. Und die wird auch gesagt.
    agnes  Okay, ich habe dir zugehört, und nun sage ich dir, dass ich auf deine Meinung scheiße.
    lena    Ich muss zusehen, wie ich klarkomme. Auch mit dir.
    agnes  Sag mal, was redest du da? Seid ihr jetzt alle übergeschnappt?
    lena    Auch mit dir.
    agnes  Geh!
    lena    Dein Vater kommt gleich. Dann wird gegessen.
    agnes  Du bist ein falsches Miststück.
    lena    Aha, immerhin bin ich in deinen Augen gestiegen. Aus einem Niemand wurde auf einmal ein Miststück. Gut so.
    agnes  Ich esse nicht. Kannst es allen brav ausrichten.
    7.
    Das Glas wird bald weinen lernen vor lauter Missachtung. Ein Nicht-Ort, ein Ort, der einer Wüste gleicht.
    lena    Ich habe immer gedacht, wenn ich geh, komme ich an. Immer in Bewegung bleiben, keinen Stillstand zulassen. Weiter, weiter so. Immer gedacht, nicht zulassen, dass ich resigniere, dass ich zu einem Gletscher verkomme. Dastehe, kalt und starr, und nichts rührt mich, nichts bringt mich zu irgendwas. Und bewegen kann man mich auch nicht. Nein, das nicht. Ich habe immer gedacht, die Liebe, die Liebe hinterlässt einfach nur Beulen im Hirn, und doch habe ich geliebt, und schon als ich am Anfang dieser scheiß Liebe stand – wusste ich genau über die Beulen Bescheid. Ich konnte sie regelrecht spüren, in meinem Kopf. Und habe geschwiegen. Ja, die Kinderliebe, habe ich dann zu mir gesagt, die wird anders sein – eine gütige, eine aufopfernde Liebe ist das, nicht fordernd, einfach so, selbstverständlich, ohne große Diskussionen, aber dann, dann wurden die Beulen größer, weil diese verdammte Kinderliebe viel mehr weh tat, weil man nicht genügte. Und ich saß da und wartete und kochte und ging nicht mehr arbeiten, dachte, das ist so, die Kinder brauchen eine Mutter daheim. Die morgens vor ihnen aufsteht und sie nachts ins Bett bringt. Die da ist, die ihre eigenen Bedürfnisse erst mal hintanstellt und dann … Dann eiterten meine Beulen im Hirn aus lauter Trostlosigkeit, aus lauter Verkommen, aus lauter Schmachten nach Leben, das sich ohne mich abspielte, irgendwo da, wo die Männer waren, die Männer, ich nicht. Und so fehlte es, so fehlte es immer an irgendwas, wenn die Männer da waren, war da kein Platz für die Kinder, weil die Männer, ja, sie brauchen so viel Aufmerksamkeit, und eifersüchtig waren sie auch, und ihre Mahlzeiten wollten sie und ihre Portion Liebe – ohne Kinderaugen, die sie irritiert und verheult anstarrten, während sie sich ihre Portion Liebe abholten. Und wenn die Männer weg und die Kinder da waren – da war ich irgendwie nicht wirklich da, weil, weil ich eben dachte – ich darf gar nicht mehr an mich denken, so hat meine Mutter es mir beigebracht, eine Mutter aus tiefster Überzeugung sollte man sein!

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