Teckla
Er hat etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt. Man bezeichnet sie auch als dumm und faul. Trifft das deiner Erfahrung nach zu?«
Ich wollte gerade »ja« sagen, aber dann fand ich, nein, als faul konnte ich sie nicht bezeichnen. Dumm? Nun ja, der Jhereg hat die Teckla jetzt schon seit Jahren hintergangen, aber das zeigte nur, daß wir schlau waren. Und außerdem gab es so viele von denen, da war es möglich, daß ich nur die dummen getroffen hatte. Die Gesamtzahl von Teckla, und sei es nur in Adrilankha, ließ sich schwer vorstellen. Die meisten von ihnen zählten nicht zu den Kunden des Jhereg. »Nein«, sagte ich. »Vermutlich nicht alle.«
»Das Haus der Teckla«, sagte er, »verkörpert alle Züge aller Dragaeranischen Häuser. Wie übrigens auch der Jhereg, und sogar größtenteils aus den gleichen Gründen: Diese Häuser lassen andere eintreten, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Die Aristokratie – die Dzur, die Dragon, die Lyorn, gelegentlich auch andere – hält das für eine Schwäche. Die Lyorn lassen niemanden rein; manch andere verlangen, daß man einen Test besteht. Sie glauben, dies würde ihr Haus stärken, weil es jene Dinge unterstützt, die sie sich wünschen – üblicherweise Kraft, Schnelligkeit und Gerissenheit. Das sind für die dominanten Kulturen – die der Aristokratie – die größten Tugenden. Ist dem so, wäre die Mischung mit Blut, das diese Züge nicht trägt, eine Schwäche. Und weil die es für eine Schwäche halten, tust du es auch. Aber das stimmt nicht; es ist eine Stärke.
Indem sie diese Züge verlangen oder welche auch immer ihnen vorschweben, was schließen sie dadurch aus, das vielleicht ganz alleine dasteht? All diese Züge existieren in gewissem Maß in den Teckla, den Jhereg und einigen Ostländern – neben anderen Dingen, die wir nicht bemerken, die uns aber zu Menschen machen. Überleg doch mal, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Das ist weitaus wichtiger als die Rasse oder das Haus.« Er brach ab und beobachtete mich wieder.
Ich sagte: »Verstehe. Tja, jetzt habe ich ein bißchen Biologie, Geschichte und Teckla-Politik in einer Sitzung gelernt. Das, und was einen zum Revolutionär macht. Danke, das war sehr aufschlußreich. Nur leider interessiert mich weder Biologie, noch glaube ich an deine Geschichte, und wie man Revolutionär wird, habe ich schon gewußt. Im Augenblick will ich nur hören, wie ich Cawti finden kann.«
Er fragte: »Was genau ist es denn, das du als grundlegend für einen Revolutionär erachtest?«
Ich wußte, er wollte das Thema wechseln, aber ich konnte nicht widerstehen. Ich sagte: »Die Anbetung von Ideen in solch einem Maß, daß man gegenüber anderen Leuten vollkommen rücksichtslos wird – egal ob Freund, Feind oder Neutraler.«
»Die Anbetung von Ideen?« wiederholte er. »So siehst du das?«
»Ja.«
»Und was meinst du, woher diese Ideen kommen?«
»Ich wüßte nicht, warum das so wichtig sein soll.«
»Sie kommen von Menschen.«
»Die größtenteils tot sind, möchte ich meinen.«
Er schüttelte den Kopf, langsam, aber es sah aus, als würden seine Augen ein kleines bißchen blitzen. »So«, sagte er, »und du hast gar kein Ethos?«
»Versuch nicht, mich zu provozieren.«
»Also doch?«
»Ja.«
»Aber das würdest du für jeden außer acht lassen, der dir wichtig ist?«
»Ich habe doch gesagt, provozier mich nicht. Ich sag es nicht nochmal.«
»Aber was ist denn ein Berufsethos anderes als Ideen, die wichtiger sind als Menschen?«
»Das Berufsethos garantiert, daß ich Menschen immer so behandle, wie sie es verdienen.«
»Sie garantieren, daß du das Richtige tust, selbst wenn es im Augenblick nicht günstig ist?«
»Ja.«
»Ja.«
Ich sagte: »Du bist ein blasierter Mistkerl, weißt du das?«
»Nein, aber ich merke nur, daß du Unsinn erzählst. Du redest von unseren Ideen, als seien sie vom Himmel gefallen. Sind sie aber nicht. Sie sind aus unseren Bedürfnissen erwachsen, aus unseren Gedanken und unserem Kampf. Ideen werden nicht einfach eines Tages erfunden, und dann kommen Leute vorbei und nehmen sie auf. Ideen sind so sehr ein Produkt ihrer Zeit, wie ein bestimmter Beschwörungszauber das Resultat einer bestimmten Athyra-Regierung ist. Ideen drücken immer etwas Reales aus, selbst wenn sie falsch sind. Leute sind für Ideen gestorben – manchmal für unrichtige Ideen – seit Anbeginn der Zeit. Würde das geschehen, wenn die Ideen nicht auf ihrem Leben und der Welt rundherum basieren und aus ihnen
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