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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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kleinen Schlucken genießen sollte. Den tranken schon die Mönche im Mittelalter, wusste Esther ebenfalls zu berichten.
    Ingrid van Brekelkam nahm die Einladung, einen Blick in Esthers Heiligstes werfen zu dürfen, an.
    Stolz öffnete Esther die Türen ihres Kräuterschränkchens und ließ Ingrid einen Blick hineinwerfen. Griffbereit lag neben jedem Glas, für jedes Kraut, ein eigenes Dosierlöffelchen oder eine Zange parat. Von A wie Ackerschachtelhalm bis Z wie Zitronenverbene war alles penibel sortiert. Was Esther Friedrichsen gar nicht vertragen konnte, war, wenn irgendetwas nicht ordnungsgemäß und sauber seinen Platz dort fand, wo es ihrer Meinung auch sein sollte.
    Sortiert waren ihre Kräuter nach dem deutschen Alphabet, genauso wie die Farben ihrer Kleider. Natürlich kannte sie sowohl die lateinischen Kräuternamen als auch die lateinischen Farbbezeichnungen, aber manchmal, und das durfte man ihrem Gehirn wahrlich verzeihen, kam sie etwas durcheinander. So sortierte sie einen gelben Pullover unter Icterus und nicht wie es sich gehörte unter Flavus. Damit hatte diesen Pullover die Gelbsucht ereilt, was in ihrem Kleiderschrank, sehr zu ihrem Ärger, einen ungewöhnlichen Farbklecks an falscher Stelle hinterließ. Es hatte eine ganze Weile gedauert, bis sie dem Fehler auf die Schliche gekommen war. Doch nachdem sie mit dem deutschen und lateinischen Alphabet durch war, entdeckte sie den Außenseiter im Schrank.
    Esthers penible Art wurde von den Schwestern gerne als Alterserscheinung belächelt, dabei war sie doch schon immer so ordentlich gewesen, auch in jungen Jahren, aber das wusste hier natürlich niemand, schließlich kannte sie hier ja keiner aus jungen Jahren.
    Für jedes Zipperlein hatte Esther Friedrichsen das passende Kraut in ihrem Schrank stehen. Bei verschiedensten Leiden, aufgegossen zu Tee, entfalteten ihre Rezepte ihre Wirkung. Natürlich kam nie etwas anderes als frische Kräuter, Blüten und Wurzeln in die Tasse. Fertigen Teemischungen misstraute sie zutiefst. Das konnte nicht richtig sein, diese Beutel deren Inhalt so fein gemahlen wurde, dass man nicht mehr erkennen konnte, um was es sich dabei genau handelte. Nein, denen konnte sie einfach nichts abgewinnen. Lieblos in eine Tasse eingehängte Beutel, waren nichts für sie. Für Tee musste man sich einfach Zeit nehmen, und im Übrigen traute sie der Industrie nicht über den Weg. Wer wusste schon wirklich, was sich in diesen Fertigkräutersäcken befand. Womöglich, da wollte sie der Industrie nichts unterstellen, wurde die Kamille mit Margeriten gestreckt, und das ungeahnte Volk konnte sich nicht erklären, warum der viel gelobte Kamillentee ihre Beschwerden kaum lindern konnte.
    „Sie hat ihren Tee immer so getrunken“, gestand Ingrid, „doch ihre Argumentation ist sehr schlüssig, und deshalb wird sie das künftig ändern.“
     
    Esther bedankte sich für das Vertrauen und fuhr mit ihrer Geschichte fort. Mit glänzenden Augen erzählte sie von Zeiten, als sie noch lange und ausgiebige Kräuterwanderungen unternommen hatte. Mit dem Kräutersammeln habe sie nämlich erst begonnen, nachdem ihr Sohn außer Haus war. In der Natur konnte sie das Alleinsein am besten verarbeiten.
    Eines Tages jedoch, als sie den Bärlauch nicht im Supermarkt kaufen, sondern selbst pflücken wollte, sprach sie ein kleines altes Mütterchen, dessen Name Hermingard war und eine Unmenge an Falten hatte, an.
    „Mit den Herbstzeitlosen ist nicht zu spaßen“, begann Hermingard damals das Gespräch. Ob sie denn der Kummer quäle und sie sich vergiften wolle, wollte sie wissen.
    „Nein, ganz sicher nicht“, entgegnete Esther entrüstet. Oft gehe sie in die Natur, um Kräuter zu sammeln. Sie hatte ein Buch über Kräuter, und sie glaube, sich anhand der Bilder gut zurechtzufinden.
    „Scheinbar nicht so sehr, denn sonst würden Sie, wenn Sie keinen Selbstmord vorhaben, von diesem Gewächs doch die Finger lassen“, erklärte Hermingard. Dann streifte sie etwas in der Wiese umher und pflückte Blätter, die sehr ähnlich aussahen, wie die, die Esther in der Hand hielt. Geduldig zeigte Hermingard die Unterschiede zwischen Bärlauch und der Leichenblume, wie sie die Herbstzeitlose nannte, auf. Doch noch giftiger wären die Blütenköpfe, die im Herbst hervorsprießen. Der darin enthaltene Samen habe schon manch einer Giftmischerin ein Witwendasein beschert. Ob nun gewollt oder nicht, sei dahingestellt.
    Fasziniert und erschrocken ließ Esther das Gift auf den

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