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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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hätte man früher keinen Beruf derart verunglimpft, schließlich habe man seinen Beruf gelernt, und wer lerne und etwas aus sich mache, habe es verdient, mit Respekt behandelt zu werden. Aber das sei das Problem dieser heutigen Gesellschaft, der Neid auf das Ansehen und das Geld anderer Leute wuchs schier ins Unendliche.
    Auch dem konnte Ingrid van Brekelkam nicht widersprechen. Aus Erfahrung wisse sie, wie sehr die Leute an ihrem Geld interessiert waren. Insbesondere die Familie ihres unter die Räder gekommenen Mannes wäre da zu erwähnen. Aber darüber könne sie gerne ein andermal berichten. Höflich entschuldigte sich Ingrid van Brekelkam für die Unterbrechung und bat Esther Friedrichsen doch bitte, mit ihrer Geschichte fortzufahren.
    Und das tat Esther. Doch vorher ließ sie Ingrid van Brekelkam einen Blick in ihren wohlsortierten Kräuterschrank werfen. Sie fragte, ob sie eine Tasse frisch gebrühten Tee reichen dürfe, welche Ingrid genauso gerne annahm, wie den Kümmelschnaps.
    Esther stand auf, öffnete ihr Kräuterschränkchen und suchte passende Kräuter für einen Aufguss zusammen. Dabei ließ sie es sich nicht nehmen, über die Ehe zu sprechen, denn natürlich wurde auch ihre Ehe, wie jede andere auch, von kleineren und größeren Turbulenzen erschüttert. Besonders, als ihr Karl-Heinz seinen Charme auch bei anderen Stewardessen einsetzte. Diese Turbulenzen meisterte man gemeinsam oder jeder für sich; danach wurde die Ehe, wie gehabt, weitergeführt. Scheidung war damals eine Option, die genauso wenig zur Debatte stand, wie in der Luft nach der Hochzeit zu arbeiten. Als ihr Alexander auf die Welt kam, blieb sie zu Hause und kümmerte sich fortan nur noch um Haushalt und Kind.
    Die Flugbegeisterung seiner Eltern brachte ihn ebenfalls zur Luftfahrt. Als einer der jüngsten Piloten kletterte er ins Cockpit und flog um die ganze Welt. Oft hatten seine Eltern wochenlang keinen Kontakt zu ihm, was Esther regelmäßig schwermütig werden ließ.
    „Das war sicherlich eine harte Zeit!“, fühlte Ingrid das Leid mit den Kindern nach.
    „Man gewöhnt sich an vieles“, sagte Esther aufseufzend und nahm einen Schluck Tee zu sich.
    Ingrid tat es ihr gleich.
    „Irgendwann habe ich meinen Sohn nur noch alle paar Monate gesehen und irgendwann nur noch alle paar Jahre. In Indonesien hat er eine Frau gefunden und vier Kinder mit ihr gezeugt. Meine Enkel habe ich noch nie gesehen.“
    „Ja, die Technik, hat nicht nur Gutes gebracht“, flüsterte Ingrid van Brekelkam. „Sie reißt ganze Familien auseinander.“
    „Wie wahr, wie wahr!“ Sechsundfünfzig Jahre ging das so weiter, bis die größte Turbulenz Esthers Leben erschütterte. Mit ihrem Karl-Heinz, den sie immer liebevoll „Karli“ nannte, hatte sie gemeinsam ein Doppelappartement in St. Benedikta beziehen wollen. Gemeinsam den Lebensabend mit ihm hier genießen und einfach darauf warten, was die letzten Jahre des Lebens einem noch so bescherten. Doch eine Woche vor dem Umzug kam alles anders.
     
    Ohne ein Wort war er einfach von dannen gegangen und hatte sie mit dem Umzug alleine gelassen, dabei war er doch erst 81 Jahre alt gewesen. Ohne zu überlegen, hätte sie ihm noch zehn Jahre gegeben. War er doch noch so rüstig gewesen, ihr Karli. Und sehr klar im Kopf. Aber eines Morgens lag er einfach so im Bett und rührte sich nicht. Sie hatte es erst bemerkt, als sein alltägliches „Guten Morgen, meine liebe Esther“ ausblieb.
    Sechs undfünfzig Jahre lang, hatte er das jeden Morgen gesagt; an diesem Morgen sagte er nichts. Sie hatte ihn geschüttelt und befohlen, endlich aufzustehen. Der Frühstückstisch sei gedeckt; der Tee würde bald kalt werden.
    Doch er weigerte sich, blieb einfach stumm liegen und hielt seine Augen geschlossen.
    Da Esther fand, dass sein Verhalten nicht normal war, rief sie den Doktor an, damit er ihren Karli mal durchchecken konnte, schließlich sei zu viel Schlaf für den Kreislauf auch wieder nicht gesund.
    Der Doktor hatte nach einem kurzen Blick auf ihren Karli jedoch nur mit dem Kopf geschüttelt.
    Esther interpretierte seine Kopfbewegung nicht richtig, sondern falsch; insofern war sie immer noch der Meinung, dass ihr Karli schlief, wenn auch ungesund.
    Im fliederfarbenen Nachthemd (sie mochte Flieder schon immer) stand sie neben dem Herrn Doktor und hatte auf das vermeintliche Eintreffen der Sanitäter gewartet, aber stattdessen kam der Leichenwagen.
    Ingrid könne sich den Schreck sicherlich vorstellen, als die

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