Tee macht tot
dann käme es schon noch zu einer glücklichen Verbindung. Ein weiteres Mal schickten die Eltern ihre kleine magere Frieda in die Tanzschule, auf dass sie vielleicht dieses Mal mit einem potenziellen Ehemann nach Hause kommen möge. Und das taten sie wieder und wieder. Nach fünf absolvierten Tanzkursen kann man sich vorstellen, dass Frieda, eine ausgezeichnete Tänzerin war, und so kam es, dass Reinhold Paulsen von ihr sehr angetan war, obwohl sie klein und unscheinbar war. Er fand sie ausgesprochen niedlich, ihre tief in den Höhlen liegenden Augen strahlten ihn an, so wie noch kein anderes Mädchen ihn angestrahlt hatte. Für viele war er einfach zu groß und zu schlaksig. Frieda hingegen schien es nichts auszumachen. Im Gegenteil, sie fand ihn so stattlich, und seine Warmherzigkeit gefiel ihr so gut, dass sie ein Kribbeln durchfuhr.
Die anderen Tanzschüler kicherten hinter vorgehaltener Hand über das ungleiche Paar. Aber das machte den beiden nichts aus.
Woche für Woche freuten sich die beiden auf ein Wiedersehen; am Ende des Tanzkurses war ihnen klar, dass sie sich nie wieder trennen wollten.
Doch als Frieda ihren schlaksigen Riesen den Eltern vorstellte, waren die alles andere als begeistert, war er doch gerade erst grün hinter den Ohren geworden. Mit seinen 19 Jahren war er bedeutend jünger als ihre Frieda - und das zu damaligen Zeiten! Man stelle sich auch hier wieder das Gerede der Nachbarn vor!
Auf so eine äußerst verwegene Angelegenheit wolle man sich nun wirklich nicht einlassen; daher schickten die Eltern ihre Frieda in den sechsten Tanzkurs, auf dass sie einen anderen heiratswilligen Kandidaten ausfindig mache.
Doch die kleine magere Frieda und der Reinhold waren verliebt. Heimlich trafen sie sich an den Abenden, an denen eigentlich der Tanzkurs hätte sein sollen. Als die Eltern davon erfuhren, kann man sich den Tumult ausmalen. Mit einem Knüppel lief Herr Waldmannstetter dem Reinhold hinterher und drohte ihm, diesen auf den Schädel zu schlagen, sollte er es noch einmal wagen, ihre Frieda aufzusuchen. Die verbleibenden Tanzkurse wurde Frieda von ihrer Mutter gebracht und abgeholt, doch ihren Reinhold konnte Frieda nicht vergessen. Ihrem Zorn über die befohlene Trennung ließ sie durch Ungezogenheit freien Lauf.
Die Tanzlehrerin Gertrude Meier war entsetzt von Friedas Benehmen. Bisher war sie nie aufgefallen; bei diesem sechsten Tanzkurs bestand die kleine Frau darauf, dass sie nicht nur mit einem Tanzpartner diesen Kurs absolvieren wolle, nein, sie wollte partout wechselnde Tanzpartner.
Fräulein Gertrude Meier verwies Frieda des Kurses, musste sie doch auf ihren guten Ruf achten. Man stelle sich das Gerede vor, wenn bekannt werden würde, dass sich eine Schülerin mit wechselnden Partnern vergnügte! Wo käme man denn da hin? Es würde ja schlimmer zugehen, als in einem Freudenhaus, meinte sie. Verständlicherweise würden Eltern ihre heiratsfähigen Töchter sofort aus ihrer Tanzschule nehmen. Und weil sie das nicht wollte, entließ sie Frieda, die neben ihrer Mutter, die vor Scham gerne im Erdboden versunken wäre, die Tanzschule verließ.
Daheim erwarteten Frieda eine Ohrfeige ihres Vaters und ein zweiwöchiger Hausarrest, den ihre Mutter aussprach. Doch in keiner Minute vergaß Frieda ihren Reinhold. Heimlich schrieben sie sich Briefe; dann beschlossen sie, gemeinsam abzuhauen.
Nachts stieg Frieda aus dem Fenster und ließ sich in Reinholds Arme gleiten. So machte sich das ungleiche Paar auf den Weg zum Busbahnhof, um sich von dort bis Hamburg durchzuschlagen. Doch so blöde waren Friedas Eltern auch wieder nicht. Am Bahnhof wurde sie kurz vor der Abfahrt aus dem Bus gescheucht und unter großer Maßregelung nach Hause gebracht.
Letztendlich hatte es zwei Ausreißversuche von daheim bedurft, bis ihre Eltern am Ende in die Hochzeit einwilligten. Widerwillig gaben sie ihre olle Jungfer dem schlaksigen Jüngling zur Frau und damit aus ihrer Verantwortung. Hatte ihnen ihre Frieda nicht sowieso schon genug Kummer bereitet!
Gleich nach der Hochzeit zog es die frisch Vermählten - diesmal ganz offiziell - nach Hamburg, wo Reinhold auf einem Schiff anheuerte und von da an oft unterwegs war. Aber da ihre Liebe von Beginn an schon allem getrotzt hatte, war das nicht weiter schlimm. Frieda war stolz auf ihn und Reinhold auf Frieda, die als Krankenschwester ihren Dienst tat.
Kinder konnten die beiden nie gemeinsam bekommen, aber auch dieser Zerreißprobe trotzte ihre
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