Tee macht tot
hervorheben. Das alles zusammen beschere ihm weniger Todesfälle.
Dass er allerdings eigens ein Statistikprogramm entwickelt hatte, mit dem sich die durchschnittliche Verweildauer jedes Einzelnen berechnen ließ, hielt er geheim. Fügte er die körperlichen Gebrechen, die geistige Verfassung, die allgemeinen Gewohnheiten seiner Schützlinge in diese Statistik ein, berechnete sein Programm genau, welche Maßnahmen unternommen werden mussten, um den Einzelnen mindestens sechs bis sieben Jahre zum Verweilen anzuregen. Sein Programm teilte ihm sogar mit, welche Senioren am besten zueinanderpassten; diese legte er auch möglichst im selben Stockwerk zusammen. So konnten sie sich gegenseitig unterstützen, was eine enorme Rehabilitation, gerade, wenn es sich um schwermütige Senioren handelte, zur Folge hatte.
Und was die Aktivitäten anging, auch hier berechnete er im Voraus sehr genau, welchen Einfluss das auf die Alten haben könnte.
Dass er im Frühling Kissen auf seine Parkbänke legen ließ, hatte nicht etwa den Grund, dass die Senioren weicher sitzen sollten, sondern diente dem Zweck, dass die herumsitzenden Leutchen so einer Blasenentzündung entgingen. Bei Senioren konnte jede noch so kleine Krankheit tatsächlich ungeahnte Folgen haben, die statistisch erfasst werden wollten.
Er war halt ein Statistiker durch und durch. Aber was man der Öffentlichkeit preisgab, war die eine Sache, was man hinter verschlossenen Türen tat, war eine andere. Dennoch war es letztendlich seinen Berechnungen zu verdanken, dass St. Benedikta zu dem Haus wurde, was es heute war. Und er meinte, solange die Statistik ihm recht gab und sich weitere private Investoren eine lukrative Rendite verschaffen wollten, war alles gut. Er sah sich als Pionier einer neuen, besseren Altenbetreuung.
Nachdem der offizielle Teil vorüber war, atmete er tief aus; sein Blick wurde nachdenklicher. Doch viel Zeit blieb ihm nicht dafür. Schon wurde er von einer Vielzahl an Gratulanten richtiggehend überrannt; pflichtbewusste schüttelte er etliche Händepaare und bestätigte einige Terminwünsche von privaten Investoren.
Besonders erfreut nahm er die Gratulation von Professor Dr. Dr. Knopf - dem Leiter des Altenheims Mozarthaus - entgegen. Titelmäßig hatte der zwar mehr zu bieten, aber was half der Titel, wenn man dadurch auch keine längere Verweildauer zustande brachte.
Wie auch schon die beiden Jahre zuvor war das Mozarthaus wieder nur auf Platz zwei gelandet; wieder musste ihm der Professor notgedrungen die Hand schütteln. Dass sie drei große gemeinsame Investoren hatten und diese den größeren Teil in St. Benedikta investieren würden, schmeckte dem Professor nicht. Ein Sieg zog immer unweigerlich auch Neider an, und Neid auf sich zu ziehen, war harte Arbeit.
Balthasar Sebastian Rohrasch konnte diesen alten Kotzbrocken, der aussah wie ein Fußball auf Stelzen, nicht wirklich leiden. Eine Pattsituation, denn auch Professor Dr. Dr. Knopf hielt nicht viel von ihm, das hatten seine verkniffenen Mundwinkel beim Händeschütteln eindeutig bewiesen. Die unterdrückte Verachtung war kaum zu übersehen. Aber Konkurrenz belebt bekanntlich auch das Geschäft.
Für das folgende Kalenderjahr, das wieder von April bis April ging, würden die Karten erneut gemischt werden, und um auch 2014 den Sieg nach Hause zu fahren, blieb nur eine Lösung: Er musste die Verweildauer seiner Schäfchen noch weiter steigern und die Todesrate weiterhin senken.
Vielleicht durch Reduktion von Salz oder Wurst? Oder Salz und Wurst? Einer Studie zufolge stieg ja das Herz- und Diabetesrisiko umso mehr, je höher der Salzgehalt der Wurstwaren war. Sicher würde ihm das , das ein oder andere Murren einbringen, aber wenn es statistisch zum Besten war, war es das nun einmal.
Es war bereits halb acht, als er endlich aus dieser Pflichtkür entlassen wurde und die Gäste sich auf den Heimweg machten.
Er setzte sich in seine Mercedes E-Klasse, als ihn fast der Schlag traf. Neben ihm stieg gerade der Knopf in einen nagelneuen Audi A6.
Na, da hört sich doch alles auf! Rohraschs Gesicht wurde puterrot; sein Herz hämmerte wie wild. Dieser Status quo musste unbedingt bei den nächsten Budgetverhandlungen für den Fuhrpark berücksichtigt werden. Seine E-Klasse war immerhin schon acht Jahre alt. Dass von den privaten Investitionen der Privatinvestoren dieses Jahr etwas mehr für ein neues Auto eingesetzt werden musste, stand somit außer Frage.
Langsam legte er den
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