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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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Ludowika. Irgendwie hatte die entweder zu viel oder zu wenig abbekommen. Zu viel rote Haare, zu viele Sommersprossen, dafür zu wenig Beinumfang, da ihre Waden unter dem Kittel wie Streichhölzer hervorlugten. Und zu wenig Durchsetzungsvermögen. Wenn Schwester Ludowika Dienst hatte, taten die Senioren all das, was bei Schwester Margot nicht möglich war. Sie unterhielten sich lautstark in den Gängen, trafen die ein oder andere Entscheidung für einen Ausflug, der nicht ausdrücklich abgesegnet worden war, oder stopften sich mit Schokolade voll. Selbst als Senior war man vor dem Reiz, der im Verbotenen lag, nicht gefeit.
    So betraten die beiden Schwestern im Wechsel das Zimmer Nr. 6; ebenfalls im Wechsel bekam Elfriede entweder streng zu hören, sie solle sich nun endlich zusammenreißen oder sie wurde gutmütig aufgefordert, aufzustehen, um dem Gevatter von der Schaufel zu springen.
    Doch der Lebenswille von Elfriede war sozusagen dahin, wogegen kein Arzt der Welt etwas machen konnte. Man konnte nur warten, ob sich von selbst eine Besserung einstellte oder der Tod Frau Weber heimsuchte.
    Natürlich war auch Balthasar Sebastian Rohrasch nicht erbaut darüber, so kurz nach seiner Ehrung schon mit einem Todesfall rechnen zu müssen, aber wenn sich die gute Frau noch etwas geduldete, könnte er ihre Verweildauer auf wenigstens sieben Jahre datieren, was auch nicht so schlecht war.
     
    Die reizende Elfriede Weber hatte aber auch viel durchmachen müssen, zu viel, für die schon immer etwas kränkliche Frau.
    Kurz vor ihrem Krankenhausaufenthalt war sie mit dem Tod ihrer Tochter konfrontiert worden, womit nun auch die letzte, lebende Verwandte von ihr gegangen war. Doch ohne ihre Familie wollte Elfriede nicht mehr leben; sie beschloss, sich dem körperlichen Verfall hinzugeben. Und weil Körper und Geist zusammengehören, ließ sie ebenfalls ihren Geist verkümmern, indem sie nur noch auf die Wand starrte und an nichts mehr dachte. So setzten die Phasen des Vergessens immer öfter ein, bis sie schließlich, in immer kürzeren Abständen, einfach vergaß, dass sie, streng genommen, noch am Leben war. Das sprach sich natürlich auch unter den anderen Bewohnern herum, weswegen Esther und ihre neuen Freunde beschlossen hatten, einzugreifen. Elfriede brauchte jetzt mehr denn je, Menschen um sich herum, die ihr Mut machten, sie wieder daran erinnerten, dass das Leben schön wa r. Und da jeder der Vier ebenfalls mit einem schweren Schicksal gekämpft hatte, wussten sie natürlich, wovon sie sprachen.
     
    Von ihren Zimmern bis zu ihrem Ziel waren es nur ein paar Meter. Am Anfang des Flures lag das Zimmer 3. Esther ging voran, gefolgt von Ingrid in ihrem Rollstuhl und Reinhold sowie Frieda Paulsen. Die zarte Frieda hatte sich ebenfalls nur einen Morgenrock übergezogen und ging hinter ihrem Mann, Reinhold im weinrot gestreiften Pyjama, her.
    Schwach war das ein oder andere Schnarchen hinter den Türen zu vernehmen.
    Zehn, maximal fünfzehn Schritte waren es noch, dann hätten sie das Zimmer von Elfriede Weber erreicht.
     
    Doch von den Vieren, die sich gerade noch guter Dinge auf den Weg machten, kamen nur drei auch wirklich dort an. 
     

19
     
     
    Agatha Beinhard, 84 Jahre, war, wie der Name vermuten ließ, keine nette Person. Wo es nur ging, ließ sie die Menschen in ihrer Umgebung spüren, dass das Leben eine ungerechte Sache war. Und gegen diese ungerechte Sache wehrte sie sich auf ihre, nicht sehr nette Art.
    Im Jahre 1948 lag ein ganz normaler Tag mit ganz normalen Tätigkeiten vor Agatha, als ihr Mann sich, wie so oft, betrunken zum Zigarettenholen aufmachte. Vielleicht hätte sie schon in dem Moment argwöhnisch werden sollen, als sie sah, dass er seinen Koffer zum Zigarettenholen mitnahm, aber sie war es nicht. Agatha Beinhard war viel zu sehr mit sich und dem Säugling beschäftigt, der sie seit Wochen mit seinen Koliken ganz schön in Atem hielt.
    Den ganzen Tag hatte sie allein mit dem Baby verbracht, wie meistens, und erst als es dunkel wurde, hegte sie den Verdacht, dass ihr Mann sich aus dem Staub gemacht hatte. Da war sie gerade 19 Jahre gewesen. Tag um Tag verstrich. Sie hoffte, tobte, zürnte und bangte. Von ihrem Mann fehlte weiterhin jede Spur.
    Schon bald stand der Vermieter vor ihrer Tür, um seine Miete zu kassieren, die Agatha jedoch nicht hatte. Freudlos erzählte sie ihm von dem Dilemma, in dem sie gerade steckte, und bat um etwas Aufschub, das er ihr gewähren wollte. Vier Wochen gab er ihr, um

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