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Tee macht tot

Tee macht tot

Titel: Tee macht tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Clayton
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darüber machen“, tröstete Ingrid van Brekelkam. „Ist ihr doch gerade erst selbst passiert. Sie erinnert sich?“ Sie musste Kartoffelsuppe ohne Speck genießen.“ Umständlich legte Ingrid ihren Arm um Esther. „Den anderen passiert so etwas auch ständig, seit … nun, sie weiß schon.“
    Dass es Ingrid und den anderen nicht besser erging, war Esther kein Trost.
     
    Im dritten Stock herrschte ein Kommen und Gehen, ein Vergessen und Wiedererinnern, was Agatha zu dem einen oder anderen Schmunzeln, hinreißen ließ. Mochte man ihr ruhig Boshaftigkeit unterstellen, aber immerhin tat sie dies mit Leidenschaft.
    Der Höhepunkt in ihren Bemühungen, Garstiges zu tun, war jedoch noch lange nicht erreicht.
     
     
     

29
     
     
    Gerda Meier fing sehr spät mit dem Laufen an und fing auch sehr spät mit dem Reden an. Von kleinauf ließ sie sich bei allem, was sie tat, unendlich viel Zeit. Zeit, die ihre Eltern und Lehrer in den Wahnsinn trieb. Egal, was ihr aufgetragen wurde, egal, was sie dachte, egal, was gerade tat, ihre Gedanken kamen ständig vom Hundertsten ins Tausendste.
     
    „Gerda, was ist 3 + 2?“, fragte Frl. Magda Sieberlein, die Grundschullehrerin das langsame Kind.
    Gerda rechnete. Die Drei stand zwischen der Zwei und der Vier. Dabei fiel ihr ein, dass sie vier Brüder hatte, die sie immer ärgerten und sich über ihre Langsamkeit lustig machten. Erst gestern war sie wieder einem ihrer Streiche aufgesessen, der sie eine Stunde zu spät zum Mittagsessen nach Hause geführt hatte. Von Mutter hatte sie deswegen eine Standpauke bekommen. Dabei war es doch gar nicht ihre Schuld gewesen.
    Ihre Brüder hatten sie nach Schulende in den Laden geschickt, von dem sie wussten, dass er geschlossen hatte. Und als sie das Geschlossen-Schild las, fiel der kleinen langsamen Gerda ein, dass sie ihre Schuhe nicht geschlossen hatte. Während sie sich hinabbeugte, um die Schnürsenkel ihrer viel zu großen Schuhe zu binden - sie musste die Kleidung ihrer Brüder auftragen - überlegte sie, was noch so alles geschlossen werden konnte. So kam sie vom Hundertsten ins Tausende, um schließlich wieder bei ihren Brüdern zu landen. Denen sollte der Mund geschlossen werden.
    Aber ihre Brüder waren nicht die Einzigen, die sich über sie lustig machten, auch die Mitschüler lachten. Schule machte einfach keinen Spaß. Erneut kam Gerda mit ihren Gedanken wieder vom Hundertsten ins Tausendste und dachte über ihre Mitschüler nach. Solange, bis sie endlich wieder bei der eigentlichen Aufgabe angelangt war. Dann hatte sie das Ergebnis.
    „Fünf!“, rief sie stolz aus. Doch da war die Schulstunde bereits um und das Klassenzimmer leer. Enttäuscht packte sie ihre Tafel und ihre Pausenbox zusammen und machte sich auf den Heimweg.
     
    Die erste, zweite, vierte, und sechste Klasse wiederholte sie jeweils zwei Mal. Danach war sie einfach zu alt, um weiterhin die Schulbank zu drücken.
    Hin und her überlegten ihre Eltern, welcher Arbeit ihre Gerda wohl nachgehen konnte. In einer Fabrik wäre ihr Kind sicherlich am falschesten Platz, den man sich nur ausdenken konnte, überlegten sie. Man müsse sich das langsame Kind am Fließband nur vorstellen. Sicherlich würde ihre Gerda bei zwei von zehn Fällen ihre eigentliche Aufgabe erledigen. Bei acht davon würde sie überlegen, warum und was sie eigentlich tun sollte. Nein, eine Fabrik kam nicht infrage.
    „Wie wäre es, wenn wir sie zu einem Frisör in die Lehre geben?“, wollte der Vater wissen, doch Gerdas Mutter schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Um Himmels willen nein, das wäre ungleich schlimmer. Das würde für die armen Frauen, die sich nur eben mal die Haare machen lassen wollten, einem Tagesausflug gleichkommen. Nein, etwas anderes musste es sein. Und so kamen Gerdas Eltern ebenfalls vom Hundertsten ins Tausendste.
     
    Während dieser Zeit lag die langsame Gerda in ihrem Bett und überlegte sich, welches Abendgebet sie sprechen sollte. Gute Nacht, Herr, behüte mich … überlegte sie, war ein schönes Gebet, aber was, wenn sie keine gute Nacht hätte? Sollte es nicht besser heißen: Schenke mir eine Gute Nacht, Herr, behüte mich ...? So kam sie vom Hundertsten ins Tausende; nach einer Stunde Bedenkzeit entschied sich Gerda für ein Gebet aus ihren Kindertagen. „Lieber Gott, hörst du mir zu? Ich finde heute keine Ruh, verzeih mir, was ich falsch gemacht, behüte mich in dieser Nacht.“
    Währenddessen hatten auch ihre Eltern eine Einigung finden können und

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