Tee macht tot
er nach Frieda rief, um zu fragen, ob alles in Ordnung wäre, habe er keine Antwort erhalten. So sei er zu einem Kaktus interuptus genötigt worden.
Agatha hatte sich vorgenommen, den alten Bewohnern mal wieder das Leben schwer zu machen. Zu sehr hatten sie sich schon an das Herumsitzen von ihr gewöhnt. Und weil ihr heute danach war, wollte sie der kleinen Frieda gerne ihre Aufwartung machen. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und lief den Gang entlang bis zu Zimmer 9. Leise hatte sie an der Tür angeklopft, und als die kleine Frieda öffnete, schlug Agatha ihr vor, doch einen kleinen Spaziergang zu machen.
Irritiert schaute Frieda mit ihren tief liegenden Augen sie an. Noch nie hatte Agatha ein Wort mit ihr gewechselt, eigentlich hatte sie seit Langem kein Wort mehr mit irgendjemandem gewechselt. Doch die kleine Frieda mit ihrem freundlichem Wesen dachte sich nichts dabei. Im Gegenteil, sie fand es bewundernswert, dass Agatha den ersten Schritt tat, um, wie sie meinte, einen Neubeginn zu wagen. Ein kleines Pläuschchen wäre also sicherlich nett, dennoch müsse sie auf ihren Reinhold warten, der noch einer wichtigen Angelegenheit nachkommen musste.
Fast schon mütterlich hakte sich Agatha jedoch bei Frieda unter und zog sie in Richtung Tür. Reinhold würde doch noch etwas brauchen, und bis er fertig wäre, seien sie längst wieder zurück, meinte sie.
Dies überzeugte die kleine zarte Frieda. Agatha hatte wirklich recht, Reinhold würde sicherlich noch geraume Zeit für sich benötigen. Bereitwillig schloss Frieda hinter sich die Tür und ließ sich von Agatha mitziehen. Im Flur begegneten sie der langsamen Gerda, die verspätet, wie immer, sich dem Frühstück widmen wollte.
Gerda dachte sich beim Anblick der beiden Frauen nichts weiter, außer, dass sie Frieda und Agatha zusammen sah, was ungewöhnlich war. Aber für die langsame Gerda war selbst ein fliegender Vogel ungewöhnlich, und damit war sie auch schon in ihren Gedanken ganz woanders.
Agatha Beinhard führte Frieda an Gerda vorbei bis zur Treppenhaustür. Dort entzog sie ihren Arm und äußerte, dass Frieda schon vorgehen solle, da sie noch ihre Weste holen wolle.
Verunsichert blickte Frieda sie an. Ob das so eine gute Idee war?
„Ich habe dich gleich eingeholt und führe dich“, beruhigte Agatha sie in überaus freundlichem Ton. Friedas Problem war ihr schon lange bekannt.
So machte sich Frieda daran, die Treppe hinunterzusteigen, und als sie am ersten Treppenabsatz angekommen war, hatte sie auch schon vergessen, aus welcher Richtung sie gekommen war. Deshalb lief sie weiter die weißen Steinstufen hinab, bis sie nicht mehr weiter konnte. Dann nahm sie die Tür hinaus und fand sich im Erdgeschoss wieder. Das hatte ja wunderbar geklappt.
Zielstrebig schritt sie auf den Haupteingang zu und durch ihn hindurch ins Freie. Auch das hatte wunderbar geklappt, dachte sie stolz.
Beim Haupteingang rechts hatte Reinhold ihr immer wieder vorgesagt. So käme man in den Park. Suchend blickte sie auf ihre Hände. Ach herrje, Reinhold hatte ihr noch gar keine Buchstaben auf ihre faltigen Handrücken geschrieben! Das tat er für gewöhnlich jeden Morgen nach seinem Geschäft. Auf ihre linke Hand schrieb er ein großes L und auf die rechte das große R. So konnte sie wenigstens diese Richtungen unterscheiden. Wobei das natürlich nur etwas half, wenn sie auch wusste, in welche Richtung sie gehen musste. Aber das wusste sie ja. Am Haupteingang rechts. So lief sie weiter den Weg vor dem Haupteingang entlang und bog links ab, ging immer geradeaus über den Besucherparkplatz, bis sie irgendwann auf der Straße stand. Nun denn, dachte sie sich und überquerte diese.
Vor dem Tor des Friedhofes blieb sie noch einmal kurz stehen. Schließlich trat sie durch das geöffnete schmiedeeiserne Tor hinein in das Arial der Toten. Langsam lief sie durch die Reihen. Lief und lief immer weiter. Erst, als sie vor Elfriede Webers Grab stand, fiel ihr auf, dass sie gar nicht wie vorgesehen im Park gelandet war. Ach herrje!, durchfuhr es sie, jetzt hatte sie die arme Agatha um ihr Pläuschchen im Park gebracht.
Unterdessen hatte sich Agatha Beinhard gesetzt. Aber nicht auf eine Parkbank, sondern auf ihren Stuhl an der Türschwelle und harrte ungerührt der Dinge, die da kommen sollten.
Esther begleitete Reinhold durch den Park von St. Benedikta. Immer wieder riefen sie Friedas Namen, doch sie war nicht aufzufinden. Sie bekamen keine Antwort, was ungewöhnlich war, da
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