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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Fuße, wobei sie die Tasche mit den Umschlägen immer noch fest umklammert hielt. Als Sarah ihre Fahrkarte kaufte, blieb ihr nichts weiter übrig, als noch eine zweite für ihre lästige Begleiterin zu lösen. Als sie das Senior Citizens' Recycling Center betrat, klebte Tigger immer noch wie eine Klette an ihr.
    Außer Osmond Loveday, der wie üblich in seinem Glaskäfig hockte und mit seinen Stempeln spielte, befand sich niemand im vorderen Raum. Wahrscheinlich waren die SCRC-Mitglieder noch auf Chet Arthurs Beerdigung. Die Kaffeemaschinen waren allerdings eingeschaltet, Sarah konnte die kleinen roten Lämpchen im hinteren Teil des Raumes leuchten sehen. Ein schwacher Duft nach Gebäck ließ darauf schließen, daß in der Küche bereits volle Tabletts auf die Rückkehr der hungrigen Trauergäste warteten.
    Tigger hatte sich unbemerkt an Sarah vorbeigeschoben. Als Osmond Loveday aufschaute und die Unbekannte mit Poncho und Plastiktasche sah, stürzte er sofort aus seinem Aquarium.
    »Tut mir leid, junge Frau, aber das Recycling Center ist ausschließlich für Senioren gedacht.«
    »Ich bin mit der da gekommen«, knurrte Tigger.
    »Wie bitte?« Loveday hielt inne, starrte entgeistert und stammelte: »S-Sarah, kennen Sie etwa diese - eh -«
    »Wir haben uns bei meiner Tante Apollonia kennengelernt«, antwortete Sarah vage. »Tut mir leid, Tigger, aber ich glaube, ich weiß gar nicht, wie du richtig heißt.«
    Tigger verstand offenbar einen Wink mit dem Zaunpfahl nicht, es sei denn, man schlug ihr den Zaunpfahl um die Ohren. Sie wies lediglich mit dem Kopf auf den Mittsechziger in dem teuren braunen Anzug. »Wer ist der Kerl überhaupt?«
    »Das ist Mr. Osmond Loveday. Er war viele Jahre lang für meinen Großonkel Frederick tätig und arbeitet jetzt als Koordinator hier im Center«, erklärte Sarah. Sie war nicht sicher, wie Mr. Lovedays Berufsbezeichnung inzwischen lautete, doch in der Vergangenheit hatte er sich selbst wiederholt als Koordinator bezeichnet und anscheinend nichts dagegen, immer noch als solcher zu gelten.
    »Sehr richtig.« Sarah konnte sehen, daß Loveday sich daran machte, seine Koordinationskünste an Tigger zu erproben. Wahrscheinlich vermutete er, daß es sich bei einer guten Bekannten der zwar verrückten, aber steinreichen Apollonia Kelling möglicherweise ebenfalls um eine exzentrische Philantropin handelte. Osmond Loveday hegte eine maßlose Bewunderung für exzentrische Philantropen. »Vielleicht hätten Sie Lust, ein wenig ehrenamtlich für uns tätig zu sein, eh - Tigger?« versuchte er sein Glück.
    »Wie denn?«
    Sarah hatte Tigger heute in einer einzigen Stunde mehr reden hören als in den zahlreichen Jahren ihrer Bekanntschaft, falls man ihr Verhältnis überhaupt als solche bezeichnen konnte. Doch sie verspürte wenig Lust auf weitere Zugaben.
    »Als erstes wird Mr. Loveday mir die Liste mit den Adressen geben, die er mir versprochen hat«, sagte sie mit fester Stimme, »damit ich die Umschläge endlich adressieren kann, die du netterweise für mich transportiert hast. Danach gehe ich nach Hause und mache mich an die Arbeit. Da ich sehe, daß du lieber hierbleiben und Näheres über das SCRC erfahren möchtest, vertraue ich dich den fachkundigen Händen von Mr. Loveday an. Nochmals vielen Dank und auf Wiedersehen.«
    Ihr Verhalten war zwar reichlich unverfroren, aber Osmond Loveday wurde immerhin für seine Arbeit bezahlt, Sarah Bittersohn dagegen nicht. Sie beschloß, ihre puritanische Verhaltensweise ausnahmsweise über Bord zu werfen, hielt ein Taxi an, das gerade vorbeifuhr, und machte sich aus dem Staub, bevor Tigger Gelegenheit hatte, sich wieder an ihre Fersen zu heften.
    Der arme Max! Wenn er nach der Beerdigung im Center auftauchte, würde Tigger wahrscheinlich versuchen, sich an ihn zu hängen, nachdem sie Sarah verloren hatte. Sie würde Max bestimmt sofort erkennen, denn sie hatte ihn schon mehrfach mit Sarah gesehen. Doch im Grunde brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, denn ihr Gatte wußte genau, wie man sich eines unerwünschten Schattens entledigte, darin hatte er Übung genug, es tat ihr nur leid, daß er sich die Mühe machen mußte. Was war bloß in Tigger gefahren, daß sie urplötzlich so gesellig geworden war?
    Von der Geschichte mit der versuchten Vergewaltigung glaubte Sarah kein Wort. Sie konnte sich höchstens vorstellen, daß Ted möglicherweise eine anzügliche Bemerkung gemacht hatte, über die Tigger sich maßlos aufgeregt hatte. Bei dem Gekeife in

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