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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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der Gasse hatte sie nicht geklungen wie jemand, der Angst hatte, sondern eher wie jemand, der wütend war.
    Was hatte Ashe überhaupt in diesen Teil der Stadt geführt? Warum war er nicht mit den anderen SCRC-Mitgliedern bei Chets Beerdigung gewesen? Aber es bestand natürlich keine Anwesenheitspflicht, und da Ashe ein Neuling war, hatte er Chet Arthur vielleicht kaum gekannt und sich die Mühe gespart. Trotzdem hätte er auf die-se Weise Gelegenheit gehabt, die anderen Mitglieder näher kennenzulernen und sich kostenlos im Center verpflegen zu lassen, und zwar mit Leckerbissen, die es nicht allzuoft gab. Laut Dolph und Mary waren Leute, die ihren Tag damit verbrachten, weggeworfene Flaschen und Dosen aufzusammeln, normalerweise dankbar für jede Art von Zerstreuung. Aber vielleicht war er Atheist und hielt nichts von Beerdigungen. Oder er hatte Wichtigeres zu erledigen gehabt. Vielleicht hatte ihm auch jemand nahegelegt, sich für die Beerdigung zu waschen. Sarah bezahlte das astronomische Fahrgeld, ging in ihre Wohnung und rief Theonia an.
    Mr. Lovedays Liste war ellenlang. Die beiden Frauen verbrachten den größten Teil des Nachmittags damit, die Umschläge zu adressieren, die Einladung hineinzustopfen und als Absender »Mrs. Adolphus Kelling« mit der Chestnut Hill Adresse oben links vorn auf die Umschläge zu schreiben. Loveday hatte ihnen den Tip gegeben, daß sie mit dem Namen Kelling und der Adresse eine bessere Chance hätten, die Aufmerksamkeit des jeweiligen Empfängers zu erregen. Sie hatten Brooks mit den bereits frankierten und nach Postleitzahlen sortierten Briefbündeln zur Post geschickt und waren gerade dabei, sich mit heißem Tee von ihrem Schreibkrampf zu erholen, als Max nach Hause kam.
    »Was machen die Einladungen?« erkundigte er sich. »Schon erledigt«, teilte Sarah ihm mit. »Ist die Beerdigung glatt verlaufen?«
    »Allerdings. Außer dem armen Chet hat es allen gefallen. Ihm vielleicht auch, wenn ich es mir recht überlege. Aber ihr werdet nicht glauben, was danach passiert ist.«
    »Als du zurück ins Center gegangen bist, hast du Tigger beim Plätzchenanbieten überrascht.«
    Max starrte seine Frau verblüfft an. »Woher, zum Teufel, weißt du das schon wieder?«
    »Das hat Theonia in ihren Teeblättern gelesen. Möchtest du auch eine Tasse Tee?«
    »Gern. Schau doch bitte mal nach, ob du das Blatt finden kannst, auf dem der Name von Chet Arthurs ehemaligem Chef steht, Theonia.«
    »Bist du denn in der Sache noch nicht weitergekommen?« erkundigte sich Theonia. »Da muß mich mein Gefühl wohl getrogen haben.«
    »Ein bißchen weiter schon«, gab Max zu. »Ich bin dem Gerücht nachgegangen, daß Chet im South Boston Navy Yard gearbeitet hat, das sich leider als Fehlanzeige herausstellte. Aber jetzt war ich nun mal in der Gegend und bekam Hunger. Nach der Beerdigung hat es mir im Center glatt den Appetit verschlagen, als ich gesehen habe, wer die Erfrischungen reichte. Also bin ich in einen vielversprechend aussehenden Feinkostladen gegangen, einen dieser Delis, die wahrscheinlich schon seit ewigen Zeiten existieren und so eine Art Wahrzeichen des Viertels sind, und habe dem Mann an der Theke ein Foto von Chet Arthur gezeigt.«
    »Woher hattest du denn das Foto?« fragte Sarah.
    »Ich habe Dolphs Polaroidkamera geborgt und den Bestattungsunternehmer gebeten, mich ein paar Aufnahmen machen zu lassen, bevor sie den Sarg geschlossen haben. Deine Freundin Annie meinte, Chet hätte tot nicht viel anders ausgesehen als lebendig. Der Mann hat nur einen kurzen Blick darauf geworfen und gesagt, klar kenne er den, das sei doch der Kerl, der in der Lotterie gewonnen habe. Es stellte sich heraus, daß der Laden nur einmal ein Los verkauft hat, das gewonnen hat, und der glückliche Gewinner war Chet Arthur.«
    »Hat der Mann ihn persönlich gekannt?«
    »Nur unter dem Namen Chet, aber er war dort jahrelang Stammgast. Er war der Meinung, daß Chet ganz in der Nähe gearbeitet haben müsse, weil er an fünf Tagen in der Woche pünktlich um die Mittagszeit hereinschneite und einen Kaffee und ein Sandwich mit Spiegelei bestellte. Der Mann sagte, sobald Chet durch die Tür ge-kommen sei, hätte er immer schnell ein Ei in die Pfanne geschlagen, damit Chet nicht zu bestellen brauchte. Er behauptet, Chet hätte nicht gern geredet, weil er stocktaub war.«
    »Tatsächlich? Das haben Dolph und Mary überhaupt nicht erwähnt.«
    »Vielleicht haben sie es nie bemerkt. Möglicherweise konnte er so gut von den

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