Teeblätter und Taschendiebe
sich ihre Tasche und setzte ihren Weg fort.
Der Fotograf reichte dem Mann auf der Bordsteinkante die verbliebene Tasche. »Wenigstens brauchten wir sie auf die Weise nicht zu überfallen.«
»Und sie ist richtig gut in Fahrt für ihr nächstes Opfer, Gott steh' ihm bei.« Brooks wühlte in der Tragetasche, ganz wie ein passionierter Leergutsammler. »Hier ist sie, und wohlgefüllt noch dazu. Ich habe mich mit dem Gewicht nur ein bißchen verschätzt. Kommst du mit?«
»Nein, ich gehe Phyllis nach und versuche, ein Foto von der Person zu machen, die ihr die Tasche abnimmt. Du hast übrigens einen Bodyguard, den Mann mit dem grauen Pullover drüben auf der anderen Straßenseite. Sein Name ist Pat Zewitzky. Wir sehen uns dann später im Gefängnis.«
Brooks nickte und schlurfte Richtung Polizeirevier davon. Max wartete, um sicherzugehen, daß Brooks' Schatten auch nahe genug hinter ihm war, um ihn im Notfall schützen zu können, und marschierte dann mit großen Schritten hinter Phyllis her.
Von Annie wußte er, welchen Weg Phyllis einschlagen würde und wo sie am Vortag überfallen worden war. Die Stelle, die man als Tatort gewählt hatte, war wirklich ideal: eine Kreuzung, von der mehrere enge, gewundene Gassen abzweigten, in die man problemlos flüchten konnte. Es war möglich, daß die Typen versuchen würden, auch ihn auszuschalten, falls sie bemerkten, daß Max sie fotografierte. Daß er sich so einfach ausschalten ließe, war allerdings unwahrscheinlich.
Da kam auch schon Phyllis und musterte mit Kennerblick und vielleicht sogar einem Anflug von Nostalgie eine leere Dose, die einst Orangenlimonade enthalten hatte. Anscheinend hielt sie die Dose für sammelnswert, denn sie stopfte sie zu dem, was sie für ihre übrige Ausbeute hielt, in die Tasche. Max hatte glücklicherweise genug Zeit gehabt, die obersten Lagen der beiden Taschen auszutauschen, bevor er die Köderdose am Hydranten zurückgelassen und die Drogendose in Brooks' Tasche gestopft hatte. Phyllis schien von der Aktion nichts bemerkt zu haben. Wahrscheinlich hatte sie eine weniger innige Beziehung zu den täglich wechselnden Leergutobjekten als dereinst zu ihren vertrauten Sirupflaschen.
Da nahte bereits das Überfallkommando in Form eines stämmigen jungen Mannes mit einem beachtlichen Veilchen. Und da kam auch schon der nächste. Dem Veilchen nach zu urteilen, hatte Phyllis ein weiteres Mal unter Beweis gestellt, daß sie kein Schwächling war. Die beiden gingen auf die klassische Art vor, der erste Mann schlenderte an Phyllis vorbei und brachte sie durch einen gezielten Stoß aus dem Gleichgewicht, während der zweite ihr von hinten die begehrte SCRC-Tasche entriß. Die Männer waren verschwunden, noch bevor Phyllis Gelegenheit hatte, den Mund aufzumachen und um Hilfe zu schreien.
Doch dann schrie sie wie am Spieß. Der enormen Lautstärke nach zu urteilen, konnte sie unmöglich ernsthaft verletzt sein, dachte Max, wenn man von der Verletzung ihrer Würde einmal absah. Er schoß ein weiteres Foto von der brüllenden Phyllis und machte sich schleunigst aus dem Staub.
Sie würde sicher zurück zum Center gehen und genau wie am Vortag jedem ihre Leidensgeschichte erzählen. Wenn die Nachricht, daß ein und dieselbe Person an zwei aufeinanderfolgenden Tagen überfallen worden war, sich erst einmal verbreitete, verging den anderen Mitgliedern möglicherweise die Lust, auf die Straße zu gehen und sich die Tasche stehlen zu lassen. Und das wäre verdammt schade. Die SCRC-Leute leisteten wirklich hervorragende Arbeit, zu ihrem eigenen Nutzen und zum Nutzen der Stadt.
Doch Max hatte keine Zeit, sich länger mit diesem Problem zu beschäftigen, er mußte sich auf dem schnellsten Wege zum Polizeirevier begeben und nachsehen, wie es Brooks ergangen war. Er kam keine Minute zu früh, denn sein Komplize steckte bereits arg in der Klemme.
»Gut, daß du kommst, Max. Vielleicht kannst du den Captain überzeugen, daß ich kein Drogenkurier bin.«
»Wir haben keineswegs behauptet, daß Sie ein Drogenkurier sind, Mr. Kelling«, sagte der Captain in einem Ton, den er selbst wahrscheinlich für beruhigend hielt. »Aber Sie müssen zugeben, daß es wirklich etwas ungewöhnlich ist, daß ein Stadtstreicher plötzlich hier bei uns hereinschneit und uns eine Tragetasche mit Abfall überreicht, in der sich zufällig auch eine Dose mit Heroin befindet, die er angeblich im Rinnstein gefunden hat. Wer zum Teufel hat je von einem Getränk namens Graperoola
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