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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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diesen Mann? Vergessen Sie die Kleidung, konzentrieren Sie sich nur auf das Gesicht.«
    Harry konzentrierte sich und nickte. »Ja, ich kenne den Mann. Ich habe ihn allerdings noch nie so sauber gesehen. Er ist seit kurzem ein Mitglied bei uns im SCRC und nennt sich Ted Ashe.«
    »Sie haben demnach nicht geglaubt, daß es sein richtiger Name ist?«
    »Ich habe von Anfang an vermutet, daß Ted uns etwas vorspielt.«
    »Hatten Sie eine Ahnung, warum er dies tun sollte?«
    »Eigentlich nicht. Zuerst habe ich gehofft, er sei vielleicht ein Polizeibeamter in Zivil, der versucht, die Taschendiebstähle aufzuklären, die bei uns in der letzten Zeit immer häufiger vorkommen. Es scheint jemanden zu geben, der das Bibelzitat >Wer aber nichts hat, dem wird auch das, was er hat, genommen werden< allzu wörtlich nimmt. Dolph Kelling hat Ihnen vielleicht von den Überfällen erzählt. Sie sind ein Verwandter von ihm, wenn ich recht verstehe?«
    »Er ist ein Cousin meiner Frau. Ja, ich habe von dem Problem mit den Taschenräubern gehört. Aber was meinten Sie eben mit >zu-erst    »Den Leuten wurden trotzdem weiter die Taschen gestohlen, das letzte Mal gestern abend, und Ted schien sich dafür nicht sonderlich zu interessieren, selbst als einer unserer Mitarbeiter bei einem Überfall ums Leben kam. Das geschah diese Woche, Sie sehen also, daß die Situation sich kontinuierlich zugespitzt hat. Wir haben ihn am Dienstag begraben, und Ted hat nicht mal an der Trauerfeier teilgenommen. Was mich letztendlich bewogen hat, meine erste Theorie aufzugeben, war etwas, was man als innere Stimme bezeichnen könnte. Als ich ihn nämlich näher kennenlernte, sagte mir mein Gefühl, daß er unmöglich Polizist sein konnte. Das mag in Ihren Ohren vielleicht absurd klingen, aber Sie wurden sicherlich nicht so oft verhaftet wie ich. Wahrscheinlich wird man mich gleich auch wieder verhaften.«
    »Warum? Haben Sie denn Ted Ashe umgebracht?«
    »Nein, aber ich fürchte, die Polizisten werden mir nicht glauben. Sie haben mir bis jetzt meistens nicht geglaubt. Was für ein schrecklicher Tod für einen Menschen! Würde es Sie stören, wenn ich ein kleines Gebet spreche?«
    »Ganz und gar nicht.«
    Max schämte sich, daß er Ashe bisher weniger als einen Menschen betrachtet hatte, der gerade ums Leben gekommen war, sondern eher als einen Mistkerl, der sein Schicksal selbst herausgefordert hatte. Doch niemand verdiente, auf so grausame Weise zu sterben. Und niemand hatte das Recht, sich zum Herrn über Leben und Tod aufzuspielen. Er versuchte, sich mit der angemessenen Andacht auf Harry Burrs Gebet zu konzentrieren, hoffte jedoch gleichzeitig, daß es nicht allzu lange dauern würde. Bei dem Gedanken, wer wohl die Spitzhacke geschwungen haben mochte, war ihm verdammt mulmig, außerdem wollte er unbedingt noch ein paar Dinge herausfinden, bevor die Polizei eintraf.
    »Wer hat außer Ihnen noch einen Schlüssel für das Gerätehaus?« fragte er George sofort, nachdem Burr geendet hatte. »Haben Sie auch einen, Walter?«
    »Ich hab' keinen«, sagte der zweite Gärtner. »Aber der Chef hat natürlich einen. Ich nehm' an, der alte Mr. Kelling hatte auch einen, als er noch am Leben war, obwohl ich mich nich' erinnern kann, daß er ihn je gebraucht hat.«
    »Ich mich auch nich'«, bestätigte George. »Mr. Kelling hat nie was im Garten getan, außer über die Wege zu marschieren und mit dem Spazierstock auf die Pflanzen einzudreschen, die nich' so wuchsen, wie er wollte. Wir mußten damals immer vor ihm rumkriechen wie Soldaten vor ihrem General und uns von morgens bis abends anhören, was wir alles falsch machen.«
    »Unser jetziger Chef«, sagte Walter, »is' da ganz anders. Wenn was falsch läuft, krempelt der sich sofort die Ärmel hoch und hilft uns, es wieder in Ordnung zu bringen. Erinnerst du dich noch an das Jahr, als wir den schrecklichen Schneesturm hatten, George? Als das Eis anfing zu schmelzen und wir den Rückstau im Keller hatten und wir die Rohre nicht freikriegen konnten? Der Chef hat sich einfach die Spitzhacke gegriffen und -«
    Als Walter bewußt wurde, was er gerade gesagt hatte, hielt er sofort den Mund.
    »Um wieder auf die Schlüssel zu sprechen zu kommen«, sagte Max. »Gibt es vielleicht Nachschlüssel, die irgendwo herumliegen? Was ist beispielsweise nach dem Tod des alten Mr. Kelling aus seinem Schlüssel geworden? Und sollte es nicht im Haus einen Hauptschlüssel geben? Es könnte doch sein, daß Sie mal nicht da sind, George, und

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