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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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hat, obwohl dazu meiner Meinung nach nicht der geringste Anlaß bestand. Ich nahm ihm den Gummiknüppel ab und demonstrierte ihm die tiefere Bedeutung der Goldenen Regel >Alles nun, was ihr wollt, daß es euch die Menschen tun, sollt auch ihr ihnen tun<. Der Richter hatte wenig Verständnis für meine handfeste Art der Religionslehre und hat mir sechzig Tage ohne Bewährung gegeben.«
    Harry zuckte mit den Achseln. »Aber ich will Sie nicht mit meinen Erinnerungen langweilen. Sie möchten wahrscheinlich wissen, wann ich Ted Ashe zum letzten Mal lebend gesehen habe. Das war gestern um die Mittagszeit im Center. Er fand wieder einmal einen Grund, bei der Essensausgabe direkt hinter mir zu stehen und mich in ein Gespräch zu verwickeln.«
    »Worüber?«
    »Meist über Einzelheiten, die andere Mitglieder betrafen.«
    »Hat er sich je nach den Sammelmethoden der anderen erkundigt?« schaltete sich Max ein. »Welche Mitglieder auf gut Glück losziehen und welche eine feste Route haben, etwa in der Art?«
    »Ich glaube schon, jetzt, wo Sie es sagen. Die meisten von uns nehmen ihre Sammeltätigkeit sehr ernst, wissen Sie, und einige neigen sogar dazu, gewisse Territorialansprüche geltend zu machen. Ted hat sich vielleicht nur erkundigt, weil er niemandem ins Gehege kommen wollte, obwohl ich zugeben muß, daß mich wahrscheinlich seine ständige Fragerei auf die Idee gebracht hat, daß er ein Under-coveragent sein könnte. Sind Sie wirklich absolut sicher, daß er dieser Reporter Wilbraham Winchell gewesen ist? Handelt es sich nicht vielleicht doch um zwei verschiedene Personen?«
    »Das scheint mir reichlich unwahrscheinlich«, sagte Max. »Wie kommen Sie darauf? Kannten Sie ihn?«
    »Damals war er jünger und hatte einen Bart, aber ich glaube, es könnte vielleicht tatsächlich derselbe Mann gewesen sein. Er hat mich einmal im Gefängnis interviewt.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, wir haben uns lange miteinander unterhalten. Er schien so ein sympathischer junger Mann zu sein. Doch dann hat er mir eine Kopie seines Artikels geschickt. Ich weiß nicht, warum er das getan hat. Es war eine Heimsuchung, wie sie schlimmer nicht hätte sein können, aber die Wege des Herrn sind manchmal unergründlich.«
    »Was meinen Sie mit Heimsuchung?« erkundigte sich Max.
    »Dieser Wilbraham Winchell hat jedes Wort, das ich gesagt habe, so verzerrt und entstellt, daß ich am Ende wie ein arroganter Heuchler dastand. Erst machte er mich zu einem Faschisten, dann hat er mich beschuldigt, ein Kommunist zu sein. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Presse aufgrund meiner Unnachgiebigkeit, was gewisse Probleme betraf, bereits eine
    Menge über mich veröffentlicht, also kam der Artikel einigen Zeitungen höchst gelegen und wurde gnadenlos ausgeschlachtet. Als ich aus dem Gefängnis kam, mußte ich feststellen, daß Wilbraham Winchell mich völlig ruiniert hatte. Kein Verein, keine Kirche und keine Privatperson, die etwas auf sich hält, will etwas mit einem Geistlichen zu tun haben, dem eine kommunistische Vergangenheit nachgesagt wird, ob dies nun den Tatsachen entspricht oder nicht.«
    »Dann hatten Sie also gute Gründe, Wilbraham Winchell zu hassen«, sagte Lieutenant Codfin.
    »Mein guter Mann, niemand, vor allem kein praktizierender Christ, hat jemals gute Gründe, seinen Nächsten zu hassen. Die Einstellungen und Methoden einiger Mitmenschen mögen uns zwar mißfallen, doch dies gibt uns noch lange nicht das Recht, ihnen das Leben zu nehmen. Nein, Lieutenant, ich habe diese Spitzhacke be-stimmt nicht in den Körper dieses armen Mannes gebohrt. Ehrlich gesagt, wäre ich dazu nicht einmal imstande, wenn ich es tatsächlich wollte. Ich bin ein alter Mann, und das Leben, das ich geführt habe, war meiner Gesundheit nicht sonderlich zuträglich. Ich besitze zwar großes Durchhaltevermögen, aber nur wenig Muskelkraft.«
    »Die hätten Sie dazu gar nicht gebraucht«, sagte Codfin. »Die Hacke ist so schwer, daß sie einem sozusagen die meiste Arbeit abnimmt.«
    »Das stimmt nicht ganz«, protestierte George. »Man muß schon wissen, wie man mit dem Ding am besten umgeht. Es kommt nicht nur auf die Arme an, wissen Sie. Man muß auch die Beine und den Rücken richtig einsetzen. Harry kriegt schon 'nen steifen Rücken, wenn er sich nur bückt.«
    Der Gärtner schien inzwischen keine Angst mehr vor der Leiche zu haben. Er starrte hinab auf die teure Lederjacke. »Ich versteh' bloß nich', warum da kein Blut is'. Meine Güte, bei so 'nem Schlag sollte man

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