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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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habe. Dann machte er auf dem Absatz kehrt, verließ mit großen Schritten das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Die Fliege war ihm gefolgt. Zurück in seinem Büro, schrieb er auf einen Zettel: Deo kaufen. So weit war es gekommen.
    Â»Kennen Sie sich mit solchen sexuellen Erregungspraktiken aus?«, fragte Kastner linkisch, sobald der Dienststellenleiter draußen war.
    Â»Na ja, ich habe da mal einen wissenschaftlichen Aufsatz gelesen. Und darin wurden verschiedene Fälle beschrieben, bei denen sich Männer nicht nur am Hals aufgehängt, sondern auch ihre Hoden und Penisse mit Schnüren in eine regelrechte Selbsterhängungsmaschinerie eingebaut hatten – übrigens eher nicht mit dem Ziel, bei dieser Prozedur zu sterben.«
    Kastner hörte Anne wie gefesselt zu. Diese fuhr fort: »Die Strangulation zur sexuellen Erregung hat eine lange Geschichte. In Paris soll es in früheren Zeiten sogar Etablissements gegeben haben, in denen sich die Mitglieder gegenseitig aufhängten, um sich sexuelle Genüsse bis zur Ejakulation zu verschaffen und im richtigen Augenblick – also kurz vor einer Ohnmacht oder dem Tod – abzubrechen. Es gibt hier im Fall Fichtner natürlich einiges, das gegen die Sextheorie spricht: Zum einen sind diese Selbststrangulierer oft nackt, zum anderen ist auf der Hose des Erhängten kein Fleck zu erkennen, der von einem Samenerguss stammen könnte, dann ist der Hosenträger im Schritt wohl nicht so richtig dazu geeignet, einem Mann Befriedigung zu verschaffen – aber das können Sie besser beurteilen –, und schlussendlich spricht der Fundort der Leiche eher gegen eine Sextat. Ohnehin glaube ich, dass Fichtner nicht freiwillig an dem Baum zu hängen kam.«
    Â»Aber warum dann der Hosenträger?«, sinnierte Kastner, dem es zum Glück gerade noch gelungen war, seine sexuellen Phantasien, die allesamt in direkter Verbindung mit seiner neuen Kollegin standen, zu verdrängen, weil er diesen Fall Fichtner – auch wegen der bizarren neuen Wendung – so spannend fand wie eine gute Folge der »Rosenheim-Cops«.
    Â»Ein Ablenkungsmanöver des Täters?«, fragte Anne in den Raum. »Eine Finte, um uns in die Irre zu führen? War der Tod vielleicht gar nicht geplant? Haben Sie auch Hunger?«
    Â»Ja.«
    Â»Leberkässemmel?«
    Â»Ja.«
    Â»Wo?«
    Â»Beim Walch Leonhard, da gibt’s die besten.«
    Kurz darauf saßen Anne und Kastner im Streifenwagen vor der Metzgerei und kauten bei laufendem Radio ihre Leberkässemmeln. Der Sprecher berichtete gerade, dass sich die rasante Talfahrt der deutschen Wirtschaft im ersten Quartal des Jahres beschleunigt habe: »Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 2,1   Prozent im vierten Quartal des vergangenen Jahres deuten die Indikatoren darauf hin, dass sich die Abwärtsbewegung im ersten Quartal dieses Jahres eher noch etwas verschärft hat.«
    Â»Da ist man froh, dass man Beamter ist«, sagte Kastner und grüßte durch das Seitenfenster eine stark gebräunte Wiesseerin mit Pudel. »Aha, die Frau Selpantschik!«
    Â»Bist du deswegen Polizist geworden?«, wollte Anne wissen.
    Â»Wegen der Frau Selpantschik? Nein!«
    Â»Nein, ich meine, ob du wegen der Sicherheit des Arbeitsplatzes Polizist geworden bist? Hoppla, jetzt hab’ ich Sie geduzt!«
    Â»Ja, ist doch gut!«, rief Kastner begeistert. »Dann sind wir jetzt per Du, endlich!« Er streckte ihr die Hand hin. »Ich bin der Seppi. Und übrigens: Ich finde das richtig super, wie du in dem Fall Fichtner rangehst. Immer ran an den Speck, gell?«
    Â»Anne«, sagte Anne und schlug ein. Irgendwie, dachte sie sich, war der Seppi schon okay. Ein bisschen begriffsstutzig zwar, aber nicht verkehrt.
    Â»Ja, also bei mir war das schon ein wichtiger Grund mit dem sicheren Arbeitsplatz«, sagte Kastner. »Und bei dir?«
    Â»Ich glaub’ nicht, dass du das wirklich wissen willst.«
    Â»Ja klar will ich das wissen, ich will alles wissen über dich.« Jetzt schaute er sie direkt an. Anne blickte verstört zurück. Worauf wollte Sepp hinaus?
    Â»Also … ich … also wir … sind ja schließlich Kollegen in der Ermittlungsgruppe. Je besser man sich kennt, umso besser kann man ermitteln und so, gerade auch in gefährlichen Situationen, in die man bei Ermittlungen ja kommen kann.« Weil er gerade noch die Kurve

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