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Tegernseer Seilschaften

Tegernseer Seilschaften

Titel: Tegernseer Seilschaften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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wiedergekehrt, und der von ihm aufgesuchte Orthopäde hatte keine weiteren Symptome gefunden, die auf einen sofort zu operierenden Bandscheibenvorfall hindeuteten. Anne hatte auch bereits mit Bernhards Therapeuten Doktor Kaul gesprochen, doch dieser hatte sich geweigert, von sich aus mit Bernhard Kontakt aufzunehmen, weil, wie er sagte, der Impuls vom Kranken selbst ausgehen müsse. Ebenso ließ er keinen Zweifel daran, dass er glaube, Bernhard sei ernstlich psychisch krank. Er empfahl ihr, den Lebensgefährten so schnell wie möglich dazu zu bewegen, ihn aufzusuchen.
    Anne stimmte ihm zu, doch hatte sie keine Ahnung, woher sie auch noch die Zeit nehmen sollte, Bernhard hinterherzurennen. Seit Lisas Geburt fühlte sie sich wie in einem Hamsterrad und wusste oft nicht, was sie zuerst tun sollte: Mit Lisa spielen, aufräumen, waschen oder einkaufen? Es war nicht leicht.
    Als sie am Vorabend – Lisa schlief bereits – bei Bernhard in der WG anrief und einer seiner Mitbewohner ihr sagte, Bernhard sei eben mit der einzigen weiblichen WG -Genossin auf ein Bier gegangen, bekam Anne einen Heulkrampf. Das war nun wirklich zu viel! Der Umzug, der neue Job, der Fichtner-Mord, Lisas und Bernhards Krankheiten – und jetzt ging er mit einer aus der WG weg, anstatt hierherzukommen und ihr zur Seite zu stehen! Anne konnte nicht mehr.
    Da klingelte es an der Tür.
    Â»Bernhard?«, schoss es der Polizistin durch den Kopf, doch gleich darauf fiel ihr ein, dass er es nicht sein konnte, weil er laut Aussage seines Mitbewohners eben erst in München die Wohnung verlassen hatte. Also wahrscheinlich Herr Schimmler, der wieder etwas reparieren wollte. Auf den hatte Anne nun wirklich keinen Bock. So blieb sie einfach im Wohnzimmer sitzen, kuschelte sich in ihre Decke und verhielt sich still.
    Kurz darauf hörte sie auf den Platten, die ums Haus herum zur Terrasse führten, vorsichtig tapsende Schritte. Draußen war es schon dunkel, der See lag still, ein leichter Wind wehte. Anne sah einen Schatten. Wer war das? Sie duckte sich ins Sofa hinein, damit der Schleichende, sollte er durch die Panoramascheibe schauen, sie nicht sehen konnte. Als sie draußen eine Silhouette erblickte, fiel ihr mit Erschrecken ein, dass sie die von Herrn Schimmler in einer dreistündigen Reparaturgroßaktion wieder instand gesetzte Terrassentür nicht verriegelt hatte. Der Unbekannte musste also lediglich gegen die Tür drücken, um diese zu öffnen. Anne überlegte, wo sie ihre Dienstwaffe hatte. Fehlanzeige. Die Heckler & Koch P7 mit ihrem 9u19-mm-Kaliber lag im Nachtkästchen im Schlafzimmer.
    Der Mann im Freien schien an seinen Kleidern herumzufummeln. Vor Anne auf dem Tisch lag das Obstmesser, mit dem sie sich eben noch einen Apfel geschnitten hatte. Ihre Tränen waren mittlerweile getrocknet. Jetzt ging der Fremde zur Terrassentür und drückte sie vorsichtig auf. Demnach hatte er nicht gesehen, dass Anne sich im Wohnzimmer aufhielt. Als der Unbekannte den ersten Schritt ins Wohnzimmer tat, richtete Anne sich blitzschnell auf, riss das Obstmesser an sich, machte zwei Sätze zur Terrassentür, packte den Fremden mit dem einen Arm von hinten am Hals und hielt ihm mit der anderen Hand das Messer an die Kehle.
    In dem Moment, in dem der Einbrecher einen gurgelnden Laut von sich gab, wurde Anne klar – komischerweise roch sie es –, dass der Eindringling Sepp Kastner war. Angeekelt stieß sie ihn von sich weg und schrie ihn an: »Bist du bescheuert? Was brichst du hier in mein Haus ein? Ich glaub’, du hast nicht mehr alle Tassen im Schrank! Ich hätte dich fast umgebracht, du Idiot!«
    Kastner stand noch unter Schock und stammelte nur wirres Zeug. Anne ließ sich auf das Sofa fallen, schüttelte den Kopf und meinte erneut: »Du Idiot!«
    Kastner schaute sie, blass im Gesicht, an.
    Â»Was willst du?«, fragte Anne aufgebracht.
    Â»Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich wollte dich besuchen, aber dann hat niemand aufgemacht, obwohl Licht gebrannt hat. Da dachte ich, dir wäre etwas zugestoßen. Du hättest ja auch tot im Haus liegen können, oder? Hast du nicht gesagt, dass dein … ähm … Freund, dass der psychisch ein bisschen …« Kastner bewegte seine rechte Hand in einer Scheibenwischerbewegung vor dem Gesicht hin und her.
    Anne konnte sich nicht mehr beherrschen. »Ich glaube, du bist nicht ganz dicht! Erst brichst du bei mir ein, dann

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