Tegernseer Seilschaften
Jahren auf eigene Kappe und ohne Genehmigung seiner Vorgesetzten von der Bayerischen Seenschifffahrt das Schiff »Tegernsee« nachts um zwölf in Betrieb genommen, um die gesamte Hochzeitsgesellschaft zu einer Rundfahrt unter klarstem Sternenhimmel zu entführen. Ganz gleich, wohin die Hochzeitsgäste in dieser Nacht geschaut hatten, überall hatten sie die sanften Silhouetten der umliegenden Berggipfel gesehen. Kein Wunder, dass es viel waren, die den Sigi GroÃmann um diese einzigartige Vermählung beneideten â und das nicht nur wegen des »italienischen Superweibs« (wie man Rita Ciampolini am Tegernsee nun nannte), das GroÃmann erobert hatte.
Amend freilich hatte danach eine Menge Ãrger bekommen â auch, weil er nicht ganz nüchtern am Steuerrad gestanden hatte, was man sogar vom Ufer aus an den Schlangenlinien des von ihm gelenkten Schiffes hatte erkennen können â, und es war sogar erwogen worden, ihm den Bootsführerschein zu entziehen. Doch weil er schon in der vierten Generation Bootsführer war und sich weder er noch sein Vater, sein GroÃvater oder UrgroÃvater je im Dienst etwas hatten zuschulden kommen lassen, hatte man beschlossen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Amend hatte nicht einmal den Sprit ersetzen müssen. Offiziell wurde sein Vorgehen natürlich verurteilt, doch an den Stammtischen rund um den Tegernsee war man sich einig, dass der Amend schon »a Hund is« und letztlich jeder gerne dem Sanitärinstallateur Sigi GroÃmann diesen Gefallen getan hätte. Zum einen grenzte es schier an ein Wunder, dass ein normaler Tegernseer Bub diese rassige Rita aus Siena klargemacht hatte, die von ihren unübersehbaren körperlichen Vorzügen her gut und gerne auch mit einem Dieter Bohlen, einem Lothar Matthäus oder einem Boris Becker hätte durchbrennen können; zum anderen wollte man es nicht immer nur den zugereisten GroÃkopferten überlassen, spektakuläre Feste am Tegernsee zu feiern.
»Was die Reichen mit ihrem Geld können, können mir mit unserem bayerischen Menschenverstand und dem auf natürliche Weise gewachsenen Zusammenhalt schon lange!«, hatte sogar der sonst eher ruhige Nonnenmacher einmal, erhitzt vom Bier, im Rahmen eines der Gespräche über die Amend-Hochzeit am Stammtisch ausgerufen. Ein bisschen hatte er diesen Ausbruch hinterher bereut, denn natürlich freuten sich die Tegernseer grundsätzlich schon über die Urlauber am See, gerade auch über die Reichen, doch dass dann nur diese Schickimickis das Recht haben sollten, auf den Putz zu hauen, kam nicht infrage â was man aber auch nicht im Bräustüberl herumschreien musste. Aber ein kurzer Blick durch den rumorenden Gastraum sagte Nonnenmacher, dass sowieso keiner von den »PreiÃn«, wie man die Fremden hier nannte, ganz gleich, aus welchen Teilen Deutschlands nördlich der Donau sie kamen, etwas gehört oder verstanden hatte, dazu waren sie viel zu sehr mit ihren Schweinshaxân und Bierbratln, manche auch mit dem »Salat Vegetarisch« beschäftigt, der, wenn es nach Nonnenmacher ging, nicht auf der Speisekarte hätte stehen müssen, weil: Ein Mann ist ja kein Hase.
Der Amend hatte also beim GroÃmann noch etwas gut, und so war es ihm ein Leichtes, den Installateur zu einem konspirativen Treffen »wegen einer wichtigen Geheimsache« zu bitten. Die drei hatten es allerdings als sinnvoll erachtet, dieses Treffen nicht im Bräustüberl abzuhalten, denn GroÃmann gehörte nicht zu ihrem Stammtisch, und das hätte garantiert Gerede gegeben. Also hatte man vereinbart, sich an einem Ort fern des Trubels zu treffen, und zwar oben beim Riedersteinkircherl. Die kleine Kapelle lag noch hinter Galaun und dem gleichnamigen Gasthaus auf einer Höhe von über tausend Metern und wurde von Einheimischen nur zu besonderen Anlässen wie etwa Feiertagen aufgesucht. Da an diesem Tag auch noch die Bergsicht wegen regnerischen Wetters eingeschränkt und die Temperatur kühl war, bestand wenig Gefahr, dass jemand aus dem Tal mitbekommen würde, was der Hörwangl Wastl, der Amend Klaus und der Nagel Pius mit dem GroÃmann Sigi zu bereden hatten.
Anne war nun schon den dritten Tag nicht im Dienst. Immerhin kam Lisa allmählich wieder auf die Beine. Auch Bernhard hatte sich hin und wieder telefonisch gemeldet. Seine Befürchtungen, einen Gehirntumor zu haben, waren nicht
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