Tegernseer Seilschaften
Nonnenmacher sich insgeheim: Morgens in einem Todeshaus Papierschnipsel entziffern, die falsche Verbrechensspur zu altehrwürdigen Bauern legen, und nachmittags mit italienischen Promiärzten herumdiskutieren. Wo war überhaupt seine heutige Ration kalter Reis?
Auf dem Weg zurück zur Polizeiinspektion fragte Sepp Kastner vorsichtig, ob Anne denn ihren â Ȋhm« â Freund schon erreicht habe.
»Warum machst du eigentlich immer âºÃ¤hmâ¹, wenn du von Bernhard redest?«, fragte daraufhin Lisa den verdutzten Sepp Kastner.
Wahnsinn, wie schlau die Kinder heutzutage sind, dachte sich Kastner, der bei Lisa auf der Rückbank des Kombis saÃ, erwiderte aber nichts, sondern zog nur etwas den Kopf ein. Das Mädchen spürte die Unsicherheit des Kollegen ihrer Mutter und fragte nun, ob er denn eigentlich keine Freundin habe, woraufhin Kastner den Kopf noch weiter einzog, wie eine Schildkröte. Nonnenmacher, der das Gespräch vom Fahrersitz aus mitverfolgt hatte, fragte belustigt nach hinten, ob er Kastner zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt fahren solle, weil er auf einmal kein Wort mehr herausbringe. Da fand Kastner seine Contenance wieder und meinte, dass er solche Verhörsituationen schlieÃlich nur von der anderen Seite her kenne.
»Und Kinder hast du wohl auch keine«, meinte Lisa jetzt triumphierend, was Anne dazu veranlasste, nun doch einzuschreiten, obwohl sie es nicht schlecht fand, wenn ihre Tochter Kastners Eifer, sich als Ersatzvater aufzudrängen, etwas bremste.
»WeiÃt du, Lisa«, sagte sie, »es ist gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der zu einem passt. Hast du denn eigentlich einen Freund im Kindergarten?«
»Ja«, sagte Lisa, »der Quirin. Der hat gesagt, er will mich heiraten. Aber ich weià nicht, ob ich überhaupt heiraten will.«
Weil es Freitag war und wieder eine Menge Wochenendurlauber den See überschwemmten, brauchte das ungewöhnliche Quartett fast eine halbe Stunde von der Tegernseer StraÃe zur Dienststelle. Dort angekommen, verabschiedete sich Nonnenmacher gleich in den Feierabend. Kastner fragte Anne noch, ob er sie beide zum Eisessen einladen dürfe, aber Anne winkte ab. »Wir fahren übers Wochenende nach München.«
»Och«, jammerte hierauf Lisa, »ich will aber nicht nach München, ich will lieber Eis essen, und morgen will ich Minigolf spielen. Der Quirin geht auch.«
»Wir müssen aber nach München.«
»Wiesooo?«
»Weil«, sagte Anne. Den Grund wollte sie vor Sepp Kastner nicht aussprechen, denn natürlich ging es nur um eines: um die Suche nach dem verschollenen Bernhard.
Teil 5
Anne betrat am Montagmorgen mit so auffällig geröteten Augen die Polizeidienststelle, dass Nonnenmacher sie entsetzt fragte, was denn los sei, ob jemand gestorben sei? Nein, sagte Anne, es gehe schon, ihr tränten nur die Augen vom Radfahren, die Morgenluft auf dem Seeradweg sei im Frühsommer doch noch ganz schön kühl.
In Wahrheit hatte Anne fast das ganze Wochenende über geweint. Denn Bernhard war nicht aufzufinden gewesen. Anne war mit Lisa am Freitagabend zu seiner Wohnung im Glockenbachviertel gefahren, und sie hatten in seinem Zimmer übernachtet. Aber Bernhard war nicht nach Hause gekommen. Anne hatte alle Freunde abtelefoniert, doch niemand hatte etwas von ihm gehört. Am Samstag hatte sie in den Münchner Kliniken angerufen, was aber auch nichts ergeben hatte. Sogar hingefahren war sie zu einigen. Keine hatte einen Bernhard von Rothbach auf ihrer Aufnahmeliste stehen. Wäre sich Anne nicht so sicher gewesen, dass Bernhards Verschwinden mit seiner Hypochondrie zusammenhing, hätte sie längst eine Vermisstenfahndung ausgelöst. Allmählich mischten sich allerdings immer mehr Zweifel in ihre Gewissheit. War Bernhard vielleicht doch etwas zugestoÃen?
Gut, dass es Lisa gab. Ohne ihre Tochter wäre sie wohl selbst längst reif für die Nervenklinik. Lisa machte zwar vieles komplizierter, aber sie war auch eine Stütze, ein Grund, sich nicht unterkriegen zu lassen, nicht zu verzweifeln. Das Mädchen war es auch gewesen, das Anne dazu überredet hatte, nicht auch noch den Sonntag in Bernhards Zimmer zu verharren, sondern wieder nach Hause an den Tegernsee zu fahren. »Da haben wirâs doch viel schöner, Mama.«
Bereits um acht Uhr morgens waren die beiden in Annes Kleinwagen gesessen und vor den ganzen
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