Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Hatte sie nicht neulich bei dem Notartermin daran gedacht, Dieter nur Schulden zu hinterlassen? Sie sollte tatsächlich noch einmal aus dem Vollen schöpfen. Eine Reise nach Neuseeland, schöne Kleider, eine schicke Brille, ein neues Auto, Sex mit einem attraktiven Mann.
Sie sah Kiara an. In ihre Augen war ein Leuchten zurückgekehrt, das sich schon lange rar gemacht hatte. Viel zu lange.
„Du hast Recht. Was eine erwachsene Frau am Ende ihres Lebens anstellt, entscheidet sie alleine. Und ich will noch etwas Freude haben. Das wäre schön.“ Sie lächelte.
Kiara hatte ihre Chefin noch nie lächeln sehen, und sie war froh, dass sie der Frau helfen konnte.
„Das schaffen wir.“
Doch plötzlich zog Myrtel die Stirn kraus. „Falls du Spaß haben möchtest, wiederhole ich meine Warnung, was Jack Logan betrifft. Und außerdem solltest du dich von Dirk Nieburg fernhalten. Kennst du ihn schon? Er ist ein Naturdoktor in unserem Club.“
Kiara nickte. Sie hatte Dirk Nieburg kennengelernt, als er dem querulanten Kunden Felix Altmühl seine Heilmethoden empfohlen hatte. „Was ist mit ihm? Er sah ganz sympathisch aus.“
Myrtel beugte sich verschwörerisch zu ihr. „Ich kann ja jetzt aus der Schule plaudern. Das gehört zu meiner Therapie am Ende des Lebens.“ Sie grinste verschmitzt. „Es geht das Gerücht um, dass er wegen Vergewaltigung vorbestraft ist.“
Kiara ließ vor Schreck ihr Glas fallen.
KAPITEL 5
Ausgerastet
I
„Das kann doch nicht dein Ernst sein“, fragte Aaron Logan ungläubig. „Sag, dass das nur ein Witz ist!“
„Es ist wahr.“ Sein Sohn saß wie ein Häufchen Elend vor ihm. „Die Ärzte sind sich darin einig, dass meine Karriere vorbei ist.“
„Und was machst du jetzt?“
„Nachdem ich erfolgreich den Journalisten entkommen bin – keine Ahnung.“ Jack lümmelte auf dem Sofa des Wohnzimmers seines Vaters und zuckte gleichgültig mit den Schultern. Das schwarze Leder glänzte im Licht der teuren Lampen, die grell den ganzen Raum erhellten. Er war nicht besonders geschmackvoll, aber dafür teuer eingerichtet. Eine pompöse Schrankwand mit allerlei Schnickschnack stand an der einen Seite, gegenüber befanden sich die Fenster, die den Blick auf den Ku’damm freigaben. An der Stirnseite des Raumes hing ein überdimensionierter Fernseher, er war fast so groß wie eine Kinoleinwand. Eine Talkshow flimmerte, aber der Ton war stummgestellt. Stattdessen ertönte aus der Stereoanlage Jazzmusik.
„Vielleicht wird es ja doch noch“, versuchte sein Vater ihm Mut zuzusprechen.
„Vielleicht“, erwiderte Jack leise. Er klang jedoch nicht, als hätte er tatsächlich noch Hoffnung.
„Du könntest zu deiner Mutter fahren, sie findet bestimmt Verwendung für dich. Ein attraktiver Junge wie du wird im Modebusiness sicherlich gebraucht.“
„Willst du mich jetzt verschaukeln?“, knurrte Jack. „Was soll ich dort? Noch mehr Parfüms oder solchen Mist vorstellen? Unterwäsche vielleicht? Wie David Beckham? Das fehlte noch.“
„Es war nur ein Vorschlag. Ich wüsste nicht, was du sonst anstellen könntest. Ich denke nicht, dass der Club das Richtige für dich ist.“
„Das denke ich auch nicht.“ Jack erhob sich schwerfällig. „Ich werde mit meinem PR-Manager besprechen, wann wir die Wahrheit offiziell verkünden. Damit die Werbeverträge nicht platzen. Dann überlege ich mir, was zu tun ist.“
„Gut.“ Auch Aaron erhob sich. „Danke, dass du mich gewarnt hast, was die Presse betrifft. Ich werde also deine Aussage bestärken, dass du bald mit dem Training beginnst. Viel Erfolg, was auch immer du zu tun gedenkst, Jack.“
„Danke.“ Der junge Mann hinkte zur Tür.
Er hatte das seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmte, als er die Wohnung verließ und hinaus auf die Straße trat. Noch vor kurzem hatte sein Vater ihn gedrängt, sich mehr um den Club zu kümmern, doch nun meinte er, der Club sei nichts für seinen Sohn. Das war ungewöhnlich. War etwas passiert in den vergangenen Tagen, wovon Jack keine Ahnung hatte?
Jack wischte den Gedanken beiseite. Es war ihm egal. Er wollte mit dem „Pour Elles“ nichts weiter zu tun haben. Sollte sein Vater dort machen, was er wollte.
Er konnte nicht wissen, dass ihm die Machenschaften im „Pour Elles“ alles andere als gleichgültig sein sollten, wenn ihm seine Zukunft etwas bedeutete. Er ahnte auch nicht, dass just in diesem Moment, als er diese Gedanken hegte, sein Vater ans Telefon ging und eine Nummer
Weitere Kostenlose Bücher