Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Kunden sprachen gern und viel von sich. Über ihre Erfolge, aber auch über Probleme. Nicht, dass es ihnen darum ging, von ihr wirklich Rat zu erhalten. Sie wollten bewundert werden oder einfach nur ihre Last teilen. Der Mann, der hier vor ihr lag, war da nicht anders. Sein ständiges Klagen über eine Vielzahl von Beschwerden, obwohl er ihr mehr als rüstig für sein Alter schien, nahm sie geduldig hin. Es gehörte zu ihrem Beruf dazu. Da erging es ihr nicht anders als Friseuren. Dass er jedoch nach ihrem Sohn fragte, erstaunte sie ein wenig. Woher wusste er überhaupt davon? Es war eigentlich nicht seine Art, sich für ihr Privatleben zu interessieren, und sie selbst hielt sich mit solchen Informationen generell zurück. Nicht nur, dass es die Patienten nichts anging, der Inhaber des Clubs wünschte so etwas nicht, genauso wenig wie private Kontakte zwischen Kunden und Angestellten. Im Wissen um Felix Altmühls Phobie vor jeder Art Bazillen oder Keimen entschloss Yvonne sich jedoch, eine Ausnahme zu machen, um seine Besorgnis zu zerstreuen.
„Danke der Nachfrage“, antwortete sie deshalb verbindlich, „es war nur eine ganz leichte Lungenentzündung. Das verschriebene Antibiotikum hat sofort angeschlagen. Ich bin so froh, dass ich nur ein paar Tage deswegen zu Hause bleiben musste. Seit gestern darf Torben wieder die Einrichtung besuchen, in der er betreut wird. Er hat sich ...“
„Das ist ja sehr schön für Sie“, unterbrach Felix die Physiotherapeutin. Darüber beruhigt, dass aus dieser Richtung keine Ansteckungsgefahr drohte, war sein Interesse an Yvonnes Kind erloschen. Hauptsache sie war wieder für ihn und seinen lädierten Rücken da.
„Das Altarbild, an dem ich zuletzt gearbeitet habe, ist übrigens ein kleines Meisterwerk geworden, auf das ich zu Recht stolz bin“, fuhr er fort, von sich zu erzählen. Neben seiner Gesundheit lag ihm nichts mehr am Herzen, als die Erfolge seiner Arbeit als Restaurator. Auch daran ließ er seine Physiotherapeutin teilhaben. „Der Vertreter des Gemeindekirchenrats war begeistert. An einem der kommenden Sonntage wird die Instandsetzung des Triptychons mit einer kleinen Feier nach dem Gottesdienst gewürdigt werden. – Wenn Sie wollen, können Sie mich begleiten“, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
Yvonne sah erstaunt auf. Was war denn heute nur mit diesem Patienten los? So kannte sie ihn gar nicht. „Drehen Sie sich bitte auf die rechte Seite, damit ich besser an Ihre Hüfte herankomme“, forderte sie Altmühl freundlich auf, ohne auch nur mit einem Wort auf sein Angebot einzugehen. Wahrscheinlich meinte er es sowieso nicht ernst.
Auch das hatte sie in ihrer langjährigen Tätigkeit und besonders hier im „Pour Elles“ erleben müssen und war deshalb vorsichtig geworden. Es war besser, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren und so zu tun, als hätte sie die Einladung nicht gehört.
Irritiert darüber, dass das Angebot, seine Begleiterin bei so einem wichtigen Event sein zu dürfen, nicht mit überschwänglicher Freude angenommen wurde, kam Felix der Aufforderung nach. Hatte sie nicht begriffen, was das für eine Auszeichnung war – oder wollte sie etwa nicht?
Während der restlichen Behandlungszeit starrte er schweigsam vor sich hin und dachte darüber nach, ob er ein wenig deutlicher werden und ihr sagen sollte, dass er sich darüber freuen würde, wenn sie ihn begleitete. Doch dann beschloss er, es nicht zu tun.
Mit Bedacht platzierte Dirk Nieburg die streichholzlangen, dünnen Nadeln im Hals- und Nackenbereich des Patienten, der in wärmende Decken gehüllt, reglos, jedoch alles andere als entspannt, auf der Liege lag und jeden Handgriff des Mediziners mit wachsamen Augen verfolgte.
„Nun, wie steht es?“, fragte er in sanftem, einfühlsamen Ton nach. „Ihre Beschwerden beginnen sich doch schon wesentlich zu bessern, nicht wahr?“
„Ja, ich glaube schon“, versicherte Felix Altmühl, der sich der Suggestion, die in der Stimme des Arztes lag, nicht zu entziehen vermochte. „Allerdings ...“
„Das ist sehr gut. Wir stehen noch ganz am Anfang der Behandlung“, unterbrach ihn Nieburg rasch. „Sie dürfen sich nicht verkrampfen, nichts Negatives denken. Sie müssen sich entspannen, ganz locker machen, damit die heilsamen Kräfte der Natur ungehindert ihren Weg in den Körper finden. Denken Sie nur positiv, gehen Sie in sich, glauben Sie an den Erfolg unserer Therapie. – Für ihr Leiden ist maßgeblich ein gestörter Energiefluss
Weitere Kostenlose Bücher