Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Bauchmuskeln, der so genannten Rückenschule, eingeschrieben, da sind Übungen an den Krafttrainingsgeräten nicht vorgesehen.“
„Was denn, soll ich etwa noch zehnmal platt wie eine Flunder auf dem Rücken liegen und wie ein Säugling mit Armen und Beinen strampeln? Das ist nicht Ihr Ernst“, protestierte der Mann.
„Das Ziel der Rückenschule ist es, auf sanfte Art die relevanten Muskelgruppen zu stärken und so die Wirbelsäule zu entlasten, weil die Muskulatur mit zunehmendem Alter als Stütze der Wirbelsäule immer wichtiger wird“, begann Leon Sätze aus dem Lehrbuch abzuspulen, obwohl er wusste, dass ihm das bei Altmühl wenig nützen würde. „Neben den regelmäßigen Übungen, wie ich sie Ihnen vorgemacht habe, gehören Gleichgewichtsübungen zum Programm. Weiterhin soll das Bewusstsein für eine rückenfreundliche Haltung und Bewegung im Alltag gefördert werden. Beispielweise wie Sie richtig Lasten heben oder sich auf einer Leiter bewegen.“
Der Kunde blieb wie erwartet störrisch.
„Ich will meine Bauch- und Rückenmuskeln an den Geräten trainieren“, beharrte er, „diese Zappelei hier ist nichts für mich.“
Leon dachte kurz nach. Regel Nummer 1 im Club „Pour Elles“ lautete: Der Kunde hat immer Recht, es wird alles getan, was der Kunde wünscht. Danach hatte er sich zu richten, wenn ihm sein Arbeitsplatz lieb war.
„Wir könnten allgemeines Fitnesstraining dazunehmen: Laufübungen auf dem Band oder Indoor-Spin-Racing, obwohl das eher zum Ausdauer- und Kreislauftraining zählt. Trockenrudern fällt mir noch ein, das ist gut, aber von der Hantelbank oder ähnlichen Kraftsportgeräten würde ich dringend abraten, wenn Sie es im Rücken haben“, versuchte er den Spagat zwischen Kundenwunsch und Vernunft.
Felix sah im Geiste die jungen, knackigen und durchtrainierten Muskelmänner, die mit ihren Sixpacks prahlten und die schwersten Gewichte stemmten. Neben denen würde er keine allzu gute Figur abgeben, wenn er versuchte, es ihnen gleich zu tun. Er strich sich über den gepflegten Vollbart. Dann lieber Rudern und Laufen.
„Okay, alles, aber nicht jedes Mal diesen Kinderkram“, stimmte er zu. „Stellen Sie mir bis zum nächsten Termin ein Trainingsprogramm für Bauch und Rücken zusammen. Und jetzt würde ich gern das SpinRacing ausprobieren.“
„Ich schaue nach, ob eines der Räder frei ist“, gab Leon nach und verließ den Trainingsraum, während Felix Altmühl sich zufrieden von der Matte erhob. Man musste die Leute hier eben nur ein bisschen auf Trab bringen.
Eine der beiden gläsernen Drehtüren die in den Club hinein- und hinausführte, rotierte gleichmäßig. Doch betrat niemand das „Pour Elles“ noch trat jemand ins Freie. Der Portier am Empfang vermutete einen Scherz, als er den großen, bärtigen Mann sah, der Runde um Runde mit der Tür mitlief, die Hände an die Glasscheibe gepresst. Der Livrierte tat tagaus, tagein hier Dienst und hatte die seltsamsten Typen erlebt, die hier verkehrten. Promis aller Art, vom Wirtschaftsboss bis zum Schauspieler, von Politikern bis hin zu Presseleuten – nicht wenige pflegten eine kleine Macke. Von liebenswert bis arrogant. Das brachte wohl der Stress mit sich, unter dem sie standen. Immer in der Öffentlichkeit. Er mochte nicht mit ihnen tauschen. Warum also sollte nicht mal einer in kindlichen Spieltrieb verfallen? Der Portier schmunzelte nachsichtig.
Dem, den er zu verstehen meinte, war durchaus nicht nach einem Spiel zumute. Der Schweiß brach aus seinen Poren und ihm wurde übel. Fallen konnte er nicht, dazu war das Glassegment, in dem er sich befand, zu eng. Die Drehtür war so konstruiert worden, dass während einer Umdrehung gerade vier Personen nacheinander das Foyer betreten konnten – eine Frage der Übersichtlichkeit und der Sicherheit.
Der Mann fühlte sich eingesperrt wie eine Ratte im Laufrad, die rennen musste, rennen um ihr Leben bis zur völligen Erschöpfung. Er rang nach Luft, tastete mit den Händen um sich. Vergebens. Es gab kein Oben, kein Unten, kein Vorn, kein Hinten. Nur weiter, weiter in diesem Glaskasten, der ihn nicht freigab. Orientierungslos lief er eine Runde, eine weitere und noch eine. Nirgends ein Ausgang, keine Möglichkeit zu entkommen.
Als er die aufsteigende Panik nicht mehr unterdrücken konnte, öffnete sich sein Mund zu einem Schrei. Über seine Lippen kam jedoch nur ein heiseres Krächzen.
VII
Es hätte schlimmer kommen können, dachte Kiara, als sie später am Abend
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