Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
in Holgers erstauntes Gesicht sah. Es hätte wirklich schlimmer kommen können. Aber vielleicht war es ja auch noch nicht vorbei und es kam noch schlimmer!
Holgers Gesichtsausdruck veränderte sich, während er nachdachte. Er wurde schließlich zornig. Dann schüttelte der junge Mann vehement den Kopf.
„Du bist verrückt. Du bist komplett verrückt. Wahnsinnig, absolut wahnsinnig. Irre!“
„Nein, ich weiß, was ich tue.“
„Das tust du nicht!“ Holger schrie fast, so dass sich die Gäste in dem Café, in dem sie saßen, irritiert umblickten.
„Holger, beruhige dich“, sagte Kiara leise.
„Nein, ich will mich nicht beruhigen, wenn du so offensichtlich ins Verderben läufst.“
Es war ungewöhnlich, dass der schüchterne junge Mann so heftig reagierte, aber er hatte einen guten Grund. Deshalb ist es an dieser Stelle wahrscheinlich angebracht, die näheren Umstände, die zu diesem Treffen und zu Holgers Ausbruch führten, zu erläutern.
Und zwar hatte Kiara nach ihrem Erfolg bei Leon, der für sie offensichtlich gerne allen Klatsch und Tratsch über Jack und Aaron Logan und zudem über alte Kunden in Erfahrung bringen wollte, die Idee gehabt, auch ihren Freund Holger unter einem ähnlichen Vorwand auf Informationen anzusetzen, die sie zu erlangen suchte.
„Holger, hast du Lust auf einen Cocktail heute Abend?“, fragte sie den jungen Mann am Telefon, bevor sie sich auf den Feierabend vorbereitete.
„Na klar!“, kam es wie aus der Pistole geschossen aus Holgers Mund. Er hatte gar keine Zeit, darüber nachzudenken, was Kiara zu dieser Einladung veranlasst haben könnte. Aufgeregt eilte er zu dem Treffen, wobei er hektisch versuchte, alle Erwartungen aus seinem Kopf zu drängen. Dennoch huschte immer wieder der Gedanke an einen Kuss durch seinen Kopf. Sie hatte sich mit ihm verabredet, nur mit ihm alleine. War das endlich der Beginn einer heißen Romanze und einer langlebigen, wunderbaren Beziehung? Sein Herz machte einen Hüpfer nach dem anderen bei diesen Aussichten.
Nur wenig später saßen die beiden zusammen in der Bar, in dem wenige Abende zuvor Kiara mit Myrtel gesessen und ihr zu einem fröhlicheren Lebensende geraten hatte. Holger hatte sein Herz noch immer nicht richtig im Zaum. Es raste wie nach einem Marathon.
Kiara versuchte es bei Holger wie bei Leon unter einem fadenscheinigen Vorwand. „Ich will wissen, mit wem ich es bei meinen Kollegen zu tun habe. Deshalb musst du mir helfen, etwas über sie herauszufinden.“
„Du triffst dich also nur mit mir, um von mir Informationen zu bekommen?“ Wie ein Vorschlaghammer traf Holger die Enttäuschung mitten ins Herz. Der Gedanke an den Kuss, an ihre Wärme in seinem Bett und an ein zukünftiges gemeinsames Grab löste sich auf wie Rauchschwaden. Er hustete und versteckte sein Gesicht hinter seiner Hand, damit sie den Absturz seiner Gefühle nicht sehen konnte. Nachdem er sich gesammelt und seine Miene wieder unter Kontrolle hatte, versuchte er, die Verabredung genauso nüchtern und kühl zu sehen wie Kiara.
Kiara hatte von seinen inneren Kämpfen nichts bemerkt – oder zumindest tat sie so – und nickte. „Ja, ich möchte gern wissen, woran ich bei den Kollegen bin.“
„Wen genau meinst du denn? Und wieso denkst du, dass ich etwas über die Leute in dem Club wissen könnte? Ich kenne niemanden.“
„Du nicht, aber möglicherweise dein Vater. Er arbeitet doch bei Gericht.“
„Er ist Schöffe“, korrigierte Holger. „Das ist keine Arbeit, sondern ein Ehrenamt.“ Vielleicht konnte er sie wenigstens mit seinem Wissen über die Arbeit der Justiz etwas beeindrucken.
„Na gut“, erwiderte sie offensichtlich unbeeindruckt. „Aber er kann Informationen über Vorstrafen besorgen. Oder nicht?“
„Das weiß ich nicht.“ An dieser Stelle wurde Holger das erste Mal misstrauisch. Er war zwar schüchtern, aber nicht dumm. „Wer ist denn vorbestraft? Und warum willst du das wissen?“
Kiara hätte in diesem Moment einem inneren Instinkt folgend die Sache gerne abgeblasen, aber das ging jetzt nicht mehr. Holger würde sich vermutlich nicht so schnell von der Fährte abbringen lassen. Er war wesentlich cleverer als Leon. Sie musste so tun, als wäre die Sache eigentlich völlig unwichtig.
„Nur so. Wie gesagt, ich will nur wissen, mit wem ich es zu tun habe.“
Holger runzelte die Stirn. Er hatte sich in Gedanken schon so oft mit Kiara beschäftigt, dass er sie sehr gut kannte. Oder zumindest dachte er, dass er sie sehr gut
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