Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
war ihm schon jetzt sehr übel und seine Hände flatterten vor unterdrückter Erregung.
„Ich bin ein Notfall. Vor zwei Tagen musste man mich mit Verdacht auf Schlaganfall mit Blaulicht hierherbringen. Gestern gab es erneut Anzeichen, die eine drohende Apoplexie (er hatte den Fachbegriff in seinem Gesundheitslexikon nachgelesen) vermuten lassen. Wer hat Dienst? Ich brauche sofort einen Arzt, der mich gründlich untersucht“, erklärte er hastig, bevor eine der Schwestern ihn unterbrechen konnte.
Die sahen sich an. Die eine, eine zierliche Brünette mit freundlichem, aber energischem Gesicht, warf der anderen, die aufgesprungen war und sich sofort um den Notfall kümmern wollte, einen abwiegelnden Blick zu. Sie kannte den Patienten nicht nur von seinem Auftritt vor zwei Tagen. Am liebsten hätte sie ihn vertröstet, aber von ihr würde er sich kaum beruhigen und wegschicken lassen. Sie seufzte. Patienten wie dieser stattliche Mann machten ihnen durch ihre Wehleidigkeit und eingebildeten Krankheiten den ohnehin nicht leichten Dienst noch schwerer. Leider nahm die Tendenz zu, dass Eltern mit Kindern oder ältere Menschen bei jeder Lappalie die Rettungsstelle des Krankenhauses aufsuchten. Da hieß es, sensibel zu reagieren.
Am einfachsten würde es sein, wenn sie jetzt auf die Befindlichkeiten des Mannes einging. Sollte sich der Arzt mit ihm auseinandersetzen und ihm klarmachen, dass er bei ihnen fehl am Platze war und, wenn nötig, seinen Hausarzt aufsuchen sollte.
„Ich bringe Sie zu den Behandlungsräumen. Dort werden Sie sich aber etwas gedulden müssen, unsere Bereitschaftsärzte sind im Einsatz.“ Sie ging um den Tresen herum und fasste Altmühl am Arm. „Kommen Sie bitte mit.“
Erleichtert folgte Felix der Brünetten.
„Ich suche Ihre Akte heraus“, versprach sie, bevor sie den Patienten verließ, der auf der einzigen Bank im Gang Platz genommen hatte.
IX
Samira strahlte mit der kalifornischen Sonne um die Wette, als Diana Washington eines Morgens an sie herantrat und sie bat, mit zu einem Shooting zu kommen. Sie würde zwar nicht als Model gebucht und sollte sich hauptsächlich um die Kleider der tatsächlichen Models kümmern, aber das störte Samira nicht sonderlich. Es war ihr erstes richtiges, professionelles Fotoshooting, an dem sie teilnehmen durfte.
„Was zieht man dafür an?“, fragte sie daher aufgeregt.
Die Chefin zog irritiert die Augenbrauen nach oben. „Was du anziehst, bleibt dir überlassen. Du wirst nicht vor der Kamera erscheinen.“
„Das ist klar“, stellte Samira sofort richtig, um nicht wie ein Dummerchen dazustehen. „Ich wollte nur wissen, ob es dafür eine Kleiderordnung gibt. Das ist alles.“
„Es ist ein ganz normaler Arbeitstag, also vielleicht deine Bürokleidung“, schlug Diana Washington vor.
„Das ist gut“, erwiderte Samira. Sie hätte sich gern noch ein bisschen besser ausgedrückt, aber ihr Englisch-Wortschatz war immer noch begrenzt, obwohl sich ihre Aussprache und auch die Grammatik in den vergangenen Tagen in der Agentur schon deutlich verbessert hatten. Vom Geld ihres Vaters hatte sie neue Kleidung gekauft, so dass sie schick und elegant zur Arbeit erscheinen konnte, für den Fall, es wurde mal ein Model ihres Typs gesucht – dann wäre sie sofort einsatzbereit. Aber bisher war das noch nicht der Fall gewesen.
Sie wohnte weiterhin in demselben billigen Motel, in dem der Einbruch passiert war, zum Sonderpreis allerdings. Von der Polizei hatte sie nichts gehört seitdem. Mit ihren Anrufen zwischendurch, bei denen sie nachfragte, ob es neue Erkenntnisse gab, hatte sie nichts erreicht.
Aufgeregt packte Samira ihre Tasche und ging mit ihren Kolleginnen zum Auto, das sie zum Studio bringen sollte, wo das Shooting stattfand.
Es lag in einer alten Fabrikhalle in Downtown Los Angeles, inmitten heruntergekommener Gebäude und verwahrloster Grundstücke. Ein Trupp wartete bereits vor dem Tor der Halle auf sie. Zwei Männer waren darunter, dahinter standen drei junge Frauen, und vier ältere hatten sich etwas abseits gestellt.
„Das da rechts ist der Fotograf“, erklärte Ricarda, eine Mitarbeiterin aus der Agentur, die vor Samira aus dem Auto ausstieg. „Der andere Kerl ist sein Assistent. Die drei Jüngeren sind unsere Models, Amy, Paula und Mathilda, und die anderen ihre Betreuerinnen oder Mütter. Und Sophia, die Visagistin ist auch dabei. Ich denke, das technische Team ist schon oben und richtet alles ein.“
„Okay“, erwiderte
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