Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
auf der eine leblose Person lag. Er konnte nicht erkennen, ob es sich dabei um eine Frau oder einen Mann handelte, denn der Körper war in silberfarbene Thermodecken gehüllt und über das Gesicht eine Sauerstoffmaske gestülpt.
„Stehen Sie nicht im Weg rum!“, fuhr ihn einer der in weiße Shirts und Hosen sowie orange leuchtende Warnwesten gekleideten Rettungskräfte an, als sie die Trage eilig an Felix vorbei zum Eingang schoben.
Auch das noch! Um vom Rettungspersonal und den Ärzten beachtet zu werden, musste man also mindestens scheintot sein, dachte Felix voller Empörung. Aber so ließ er nicht mit sich umspringen. Er würde sich an höherer Stelle beschweren.
Nicht nur, dass man ihn stundenlang hatte warten lassen, nein, als sich endlich ein Arzt seiner erbarmte, hatte der ihn nach kaum zehn Minuten wieder hinauskomplimentiert. Die CT-Aufnahmen seien völlig in Ordnung gewesen, Blutdruck und Puls normal. Es bestehe zu irgendwelchen Befürchtungen nicht der leiseste Grund.
Felix schnaubte, als er an den Gesichtsausdruck des Arztes dachte. Der hielt ihn, auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, wohl für einen Simulanten. Das Aufzählen aller Ausfälle des Patienten in den vergangenen beiden Tagen hatte ihn nicht im Geringsten beeindruckt. Von partieller körperlicher Überlastung hatte der Weißkittel geredet und Felix‘ Kopfschmerzen, Eintrübungen und alles andere nicht weiter ernst genommen. Für Apoplexie gäbe es nicht den geringsten Hinweis.
‚Vielleicht haben Sie einen Nerv eingeklemmt, der durch den Halswirbelbereich führt, das zeitigt gelegentlich solche Beschwerden‘, hörte er den Mediziner vermuten. Er solle sich einen Termin beim Orthopäden geben lassen.
Als ob er dort nicht in ständiger Behandlung wäre.
Felix machte auf dem Absatz kehrt und lief zu seinem Auto. Ihm war eine Erleuchtung gekommen. Natürlich: Er war im „Pour Elles“ falsch behandelt worden! Entweder hatte Yvonne beim Massieren nicht genug achtgegeben oder das von der Ex-Krankenschwester empfohlene Rückentraining war schuld an seinen neuen Leiden. Das würde er klären. Sofort!
Trotz der Mittagszeit herrschte im Club reges Kommen und Gehen. Im Schwimmbad tummelte sich eine Gruppe älterer Frauen, die den Anweisungen eines Übungsleiters zur Wassergymnastik folgte. Einige durchtrainierte Männer schwammen Bahnen. An der Erfrischungstheke im Flur saßen vorwiegend junge, attraktive Damen, die bei einem Fitnessdrink miteinander schwatzten. Nicht mal für sie hatte Felix einen Blick übrig, als er in den ersten Stock zu den Behandlungsräumen eilte.
„Herr Altmühl? Was machen Sie denn hier? Sie haben doch erst morgen wieder eine Behandlung.“ Verwundert sah Yvonne, die mit einem Handtuch über der Schulter aus einer Kabine kam, den Restaurator an.
„Ich muss dringend mit Ihnen sprechen. Sie haben bei der Massage einen Fehler gemacht!“
„Wie meinen Sie das: einen Fehler gemacht?“ Obwohl der nächste Patient wartete, blieb die Physiotherapeutin einen Augenblick lang verdutzt stehen.
Hastig erklärte ihr Felix, was der Arzt in der Notaufnahme vermutet hatte. „Und jetzt habe ich ihretwegen Kopfschmerzen und Schwindelanfälle“, endete er anklagend.
Yvonne behielt das freundliche Lächeln bei, das sie für alle Kunden übrig hatte.
„Aber Herr Altmühl, wie kommen Sie denn darauf? Laut Rezept sollen Ihre Lendenwirbelsäule und die untere Rückenpartie therapiert werden. Mit den Halswirbeln und den Nervensträngen, die dort entlang führen, komme ich dabei gar nicht in Berührung.“
„Es muss aber an der Massage liegen, woran sonst!“, beharrte Felix.
Bei dieser Behauptung verging Yvonne das Lächeln. So langmütig und geduldig sie von Natur aus war, es gab zwei Dinge, auf die sie äußerst empfindlich reagierte. Zum einen, wenn es um ihren Sohn ging, zum anderen, wenn jemand ihr berufliches Können infrage stellte.
„Ich übe also meinen Beruf nicht fachgerecht aus und schade den Patienten? Wollen Sie das damit sagen? Wenn das so ist, sollten Sie sich eine andere Therapeutin suchen“, erwiderte sie verärgert.
Vor ihrem kühlen Blick wich Felix einen halben Schritt zurück.
„So habe ich das nicht gemeint ... wirklich nicht“, stammelte er. „Aber doch ... es deutet alles darauf hin ... Ich schätze Sie sehr, Yvonne, das wissen Sie doch ... aber wenn es nun mal so ist ...“
„Dann sollten Sie so etwas auch nicht sagen, wenn Sie mich schätzen“, fiel ihm die Physiotherapeutin ins
Weitere Kostenlose Bücher