Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Fernsehmoderatorin“, erklärte Leon leise, aber Kiara kannte sie. Sie gehörte zu den bekanntesten Fernsehgesichtern der Gegenwart.
„Guten Abend, sehr verehrte Damen und Herren“, grüßte Elli die Gäste mit einem leicht holländischen Akzent. Sie lächelte in das Publikum, aus dem begeisterter Beifall ertönte. Als der wieder abebbte, fuhr sie fort: „Ich freue mich, dass Sie heute hier zu einem besonderen Wettbewerb erschienen sind. Wir wollen die schönste junge Frau Berlins küren."
„Ich hatte ja keine Ahnung, dass der Wettbewerb solch ein besonderes Ereignis ist, dass sogar Elli von Klementjes erscheint“, flüsterte Kiara fast ein bisschen ehrfurchtsvoll zu Leon.
„Die Logans lassen es immer richtig krachen. Sie kennen Hinz und Kunz in der Promiwelt. Es sind auch viele hier Stammkunden. Das ist schon cool.“
„Ja, das ist es.“
„Na, willst du nicht doch regelmäßig kommen?“, fragte Leon grinsend.
Kiara verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, antwortete jedoch nicht, denn Elli van Klementjes stellte soeben die Bewerberinnen im Modelwettbewerb vor. Es waren fünfzig Mädchen, die langsam und grazil nacheinander die Treppe hinunter und wieder hinauf schritten. Das heißt, einige liefen grazil, andere hingegen wirkten, als hätten sie noch nie eine Treppe benutzt. Sie staksten in ihren feinen Kleidern die Stufen ab und wieder auf, wobei eine schon beim ersten Schritt hängenblieb und mit dem Po auf der obersten Kante landete.
Leon hüstelte amüsiert, doch Kiara achtete nicht auf ihn, denn sie hatte ihre Freundin Samira entdeckt, die in einer silbergrauen Robe die Treppe hinabschwebte. Sie sah traumhaft schön aus, wie eine Elfe. Ihr langes strohblondes Haar hatte sie in einem Knoten in ihren Nacken gesteckt. Ihre grünen Augen leuchteten im Scheinwerferlicht, ihre Lippen umspielte ein feines Lächeln. In dem Kleid kam ihr langer Hals gut zur Geltung wie auch ihr schlanker Körper. Sie trug die Nummer 23 auf ihrem Rücken.
„Deine Freundin sticht alle aus“, bemerkte Leon trocken.
Die anderen Mädchen hatten jedoch auch eine Menge zu bieten. Eine rassige Dunkelhaarige war darunter, die sich so kokett drehte und wendete, als hätte sie das schon unzählige Male vor Publikum getan. Andere hatten das typische, nichtssagende, gleichmäßige Modelgesicht, weitere wiederum wirkten verführerisch durch eine neckische Besonderheit wie eng stehende Augen oder eine zu kleine Stupsnase. Nur wenige waren darunter, die vielleicht besser zu Hause geblieben wären, weil sie nicht gerade Schönheiten waren.
„Ich denke immer noch, du hättest mitmachen sollen“, kommentierte Leon das Geschehen erneut, bevor er sich abwandte. „Ich muss los, in der Pause geht gleich der Sturm auf die Fitnessgeräte los. Da muss ich anwesend sein. Du bist noch ein Weilchen hier, nehme ich an.“
Kiara nickte. „Wenn Samira eine Runde weiterkommt, bleibe ich.“
„Dann sehen wir uns noch“, grinste er. Dann drehte er sich um und schlängelte sich durch die Menge auf den Fitnessbereich zu.
Kiara widmete sich wieder den Mädchen auf der Treppe, die nach ihrem kurzen Marsch wieder im ersten Stock verschwanden.
Als die letzte gegangen war, stellte Elli von Klementjes die Jury vor. Es war nicht nur Lori Graham darunter, sondern auch noch ein berühmter, spanischer Tanzlehrer, der seit Kurzem in Berlin lebte, und eine deutsche Designerin, deren Name Kiara schon mal an einem Mantel gesehen hatte.
Danach gab es eine Pause, in der die Kundinnen tatsächlich den Fitnessbereich stürmten. Jedenfalls die eine Hälfte. Die andere stürzte in die Schönheitsabteilung.
Kiara jedoch stieg die Treppe hinauf in den ersten Stock, um bei Samira nach dem Rechten zu sehen. Doch sie kam nicht so weit, denn just in dem Moment, als sie auf den Flur einbog, stieß sie mit einer Frau mittleren Alters zusammen. Sie hatte kurzes, frech geschnittenes rötlich-braunes Haar, in dem sich an den Schläfen das erste Grau zeigte, eine nicht mehr ganz schlanke Figur, die sie unter modernen Kleidern versteckte, und nervös zuckende Finger, von denen jeder einzelne mit einem Ring geschmückt war. Sie hieß Myrtel Ragewitz.
„Entschuldigung“, sagte Kiara.
„Entschuldigung“, erwiderte Myrtel.
„Es tut mir leid. Ich möchte zum Raum 205.“
„Sind Sie eine der Models?“
„Nein, aber meine...“
„Dann können Sie da nicht rein“, erklärte Myrtel kurz angebunden und ließ Kiara einfach stehen. Sie lief die Treppe hinunter, um
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