Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
in der Menge zu verschwinden.
Kiara rief ihr hinterher: „Danke für nichts! Warum sind hier alle so unfreundlich?“
Myrtel drehte sich für einen Moment um, irritiert, ob sie vielleicht gemeint war, dann wandte sie sich wieder ab. Sie hatte heute keinen Nerv für zickige Kundinnen. Dieser Tag war bisher ein einziger Albtraum gewesen und sie wollte ihn so schnell wie möglich hinter sich bringen. Sie hatte die Nachricht erhalten, dass der Krebs zurückgekehrt war, ihr Mann hatte sie verlassen und nun musste sie auch noch diese elende Sonderschicht wegen des Modelwettbewerbs schieben, weil eine Kollegin kurzfristig gekündigt hatte, obwohl sie viel lieber zu Hause auf dem Sofa gesessen und geheult hätte.
Sie war auf der Suche nach einer Kollegin, die ihr möglicherweise etwas zum Nähen besorgen konnte, da sich eines der Möchtegernmodels das Shirt aufgerissen hatte. Sie kämpfte sich durch die Menge, musste jedoch zwischendurch stehenbleiben, weil ihr auf einmal übel wurde. Waren das schon die ersten Zeichen, dass das Ende nahte? Oder lag es nur an der schlechten Luft im Raum?
Sie ging hinaus vor die Tür. Der Türsteher wollte ihr zuerst den Stempel des Hauses auf das Handgelenk drücken, damit sie ohne Ticket wieder eintreten konnte, wie es bei solchen Ereignissen der Fall war, doch sie entriss sich ihm. Da er sie kannte, ließ er sie ohne durch.
Sie stellte sich auf die Straße und lehnte sich an eine Laterne. Tief sog sie die berühmte Berliner Luft ein, die nach Benzin, Abgasen und Kanalisation roch. Ein paar türkische Gewürze mischten sich noch darunter, wie auch der Geruch nach muffigen Kellerräumen.
Sie stand für ein paar Minuten, bis sie das Gefühl hatte, dass es ihr besser ging. Dann drängte sie sich am Türsteher vorbei zurück in den Club. Ihre Suche nach Nähzeug gab sie jedoch auf, denn in diesem Moment ging der Wettbewerb in die nächste Runde. Elli van Klementjes verkündete die, die weitergekommen waren.
***
Jack Logan liebte die Frauen. Und die Frauen liebten ihn. Und auch wenn eine von ihnen für eine Weile einen Sonderstatus an seiner Seite annehmen und sich seine Freundin nennen durfte, bedeutete das noch lange nicht, dass er gegen den Charme der anderen immun war. Das war er nicht, ganz im Gegenteil. Vor allem, wenn eine Frau so flammend rote, lange Haare hatte und so sexy war wie dieses junge Partygirl, das ihn gerade in der Nähe der Bar im Wellnessclub „Pour Elles“ anflirtete. Sie war Mitte Zwanzig und hatte eine schmale Taille, die schon fast ungesund wirkte, und knackig große Brüste.
„Ich bin Josephine“, stellte sie sich vor, nachdem sie sich durch eine Gruppe schnatternder Frauen mittleren Alters gekämpft hatte, die ebenfalls verstohlen den berühmten Sportler anstarrten und ihn immer wieder versuchten, anzulächeln. „Hi Jack. Es ist schön, dich endlich mal kennenzulernen. Ich habe schon viel von dir gehört.“
„Die Freude ist ganz meinerseits.“ Er stützte sich auf seine Krücke und sah hinauf in den ersten Stock vom „Pour Elles“, wo seine Freundin Lori gerade die Jurorin für den Modelwettbewerb mimte und die Verliererinnen der ersten Runde aussortierte. Sie war beschäftigt. Das hieß, er hatte freie Bahn bei der rothaarigen Schönheit. „Wieso machst du bei dem Wettbewerb nicht mit. Du würdest ihn glatt gewinnen.“
„Ich darf nicht“, kicherte sie. „Ich würde alle ausstechen, hat dein Vater gesagt, als ich mich bewerben wollte.“
„Da hatte er Recht. Du kennst meinen Vater?“
„Nur ein bisschen.“ Sie kicherte wieder. „Spendierst du mir einen Drink?“
„Aber gerne“, erwiderte er. „Was auch immer du willst.“
„Ich will was Hartes“, sagte sie und sah ihm dabei tief in die Augen.
Er verstand die Andeutung und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. Damit war der Reiz bereits wieder dahin, auch wenn er seinen Mund etwas anderes sagen hörte. „Ich mag Frauen, die mit ihrem Durst nicht hinter dem Berg halten.“
„Das dachte ich mir.“
Wieder sah er nach oben, wo Lori immer noch beschäftigt war. Doch jetzt freute er sich nicht mehr über die Freiheit, die ihm das brachte. Die Rothaarige war zu offen, darauf stand er ganz und gar nicht.
„Na Jack, siehst du dich in deinem Club ein wenig um?“, hörte er plötzlich eine Stimme in seinem Rücken. Aaron Logan, sein Vater stand hinter ihm. „Wird auch Zeit, dass du etwas Interesse zeigst.“
„Das ist kein Interesse, Vater, das ist nur
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