Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
lief ins Bad, um sich frischzumachen. Als ihr Blick auf die Uhr fiel, untersagte sie sich auch noch das letzte Schluchzen. In genau dreißig Minuten musste sie bei der Arbeit sein.
VI
Das „Pour Elles“ trug mit Recht den Namen, der edelste und teuerste Wellness-Club in Berlin zu sein. Wenn der Besucher die pompöse Eingangshalle betrat, erblickte er türkisfarbenen Marmor, der auf der Welt seinesgleichen suchte. Zwei elegante weiße Treppen schwangen sich von den Seiten nach oben, um sich auf halber Höhe zu vereinen und dann gemeinsam in den ersten Stock zu streben, wo geschmackvolle Wandmalereien und ein Springbrunnen auf sie warteten. Ließ man die Treppen links liegen und passierte den Türsteher in seiner türkisfarbenen Livree, um sich zur Tür auf der rechten Seite zu wenden, gelangte man in den Fitnessbereich des Clubs. Braungebrannte, Fitnessshakes schlürfende und durchtrainierte Trainer warteten mit einem freundlichen Lächeln auf Kundschaft, um mit ihr an den neuesten und modernsten Geräten zu trainieren oder Pilates, Zumba und Power-Yoga durchzuführen. Davor führten etwas nüchterne Türen in die Umkleideräume, in denen man vom Boden essen konnte. Sie waren mit Schränken ausgestattet, so edel und teuer, dass so mancher sich nicht einmal einen davon im Schlafzimmer leisten konnte.
Wandte man sich von der Eingangstür und vom Türsteher aus gesehen nach links, gelangte man in die Schönheitsabteilung des Clubs. Dort stieg man – oder besser gesagt frau – in duftende mit Rosenwasser gefüllte Badewannen, ließ sich mit Poren verfeinernden Tonerdebehandlungen verschönern und gedachte mit Hilfe von Cremes, Dampf oder anderen Wundermitteln das Aussehen positiv zu beeinflussen. Immer wieder huschten in weiße Bademäntel gehüllte, rosa gesichtige Frauen durch den Flur und von Tür zu Tür. Es duftete nach verschiedenen Essenzen und Ölen, und über dem Marmor schwebte eine angenehm feuchte Wärme, die schon nach wenigen Augenblicken des Aufenthaltes dem Besucher die Poren öffnete.
Wollte man weder etwas für die Schönheit noch für die Fitness tun, konnte man sich entweder nach oben oder in den hinteren Teil des „Pour Elles“ begeben. Wenden wir uns der Ordnung halber zuerst dem Teil im Erdgeschoss des Clubs zu, der den Blick zuerst fing und den man durch eine breite, weiße, mit Meerjungfrauen und Muscheln verzierte Flügeltür erreichte: das Schwimmbad.
Hinter der Tür verbarg sich zunächst ein stilvoller Vorraum mit einem fragilen Springbrunnen, der das Motiv eines Delphins zeigte, genau unter dem Springbrunnen im Stockwerk darüber. Von diesem Vorraum gingen die Umkleideräume ab, ähnlich edel und teuer ausgestattet wie die im Fitnessbereich. Gegenüber von der Flügeltür erstreckte sich ein breites Fenster von der Decke bis zum Boden, so dass man in die Schwimmhalle sehen konnte. Das Becken hatte die Form einer Lagune, bestehend aus türkisfarbenem und eingebettet in sandfarbenen Marmor, so dass man den Eindruck gewann, an einem Sandstrand zu stehen und in eine echte Lagune zu blicken. Mehrere Palmen rund um das Schwimmbecken verstärkten den Eindruck einer tropischen Landschaft. Die Wasseroberfläche kräuselte sich leicht, da permanent Frischwasser zugeführt wurde.
Direkt gegenüber befand sich ein weiteres, riesiges Fenster, das den Blick ebenfalls auf eine Lagune, eingebettet zwischen tropischen Hügeln, freigab. Allerdings handelte es sich dabei um ein Wandgemälde auf sandfarbenem Marmor. In diesem Bild schwebten Möwen nahezu schwerelos in einer sanften, warmen Brise, die Sonne glitzerte im Wasser der Bucht und im Sand lagen wie Perlmutt schimmernde Muscheln.
In der „echten“ Lagune im „Pour Elles“ flogen statt Möwen hin und wieder ein paar vereinzelte Fruchtfliegen vorbei, die aus dem Abfalleimer in der Bademeisterkabine schwebten und trotz aller Anstrengungen nicht totzukriegen waren. Statt Sonne blinzelte künstliches UV-Licht aus den Röhren in der Decke, und Muscheln fand man in der Dekoration vor den Marmorwänden. Trotz dieser kleinen Schwächen wirkte das Bad sehr beeindruckend und entspannend, so dass sich sogar der Berliner Bürgermeister neben vielen weiteren Promis gern hier vergnügte.
Verließ man das Schwimmbad, wandte sich zurück zur Eingangstür, warf dem livrierten Türsteher ein Lächeln, eine Kusshand, ein Praliné oder was auch immer zu und lief dann die protzigen Treppen in den ersten Stock hinauf, landete man unweigerlich in der
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