Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
du dir allerdings nicht zu sicher sein, dass du bekommst, worauf du aus bist“, lächelte sie und zog ihren Körper einen Hauch von ihm zurück. Er beeilte sich, sie wieder an sich zu drücken. Nun wollte er sie mehr denn je.
VIII
Es gibt Momente, da möchte man am liebsten fliehen. Oder sich in Luft auflösen. Einfach so verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Das wünschte sich Kiara seit einer gefühlten Ewigkeit, in der sie einer Kundin gegenüberstand, die ihren üppigen Körper in ein weites, mit kleinen Hündchen bedrucktes Gewand gehüllt hatte. Die unaufhörlich aus dem Mund dieser Frau strömenden Worte drangen wie ein niemals enden wollender Wasserfall an Kiaras Ohr. In einer Tonlage, die Ohrenschmerzen verursachte.
„...und danach sprang der Kleine den Mann an, denn er wollte ihn begrüßen. Ich rufe ihn, aber Joschi lässt nicht ab, er hat sich so gefreut, den Mann zu sehen! Als ob er ihn kennen würde. Es war herzergreifend. Doch der Rüpel tritt nach meinem Joschi, will ihn derb abschütteln und brüllt mich an, ich solle den Köter an die Leine nehmen. So ein Flegel! Sie hätten hören sollen, was der Kerl vom Stapel gelassen hat. Unerhört! Dann nehme ich meinen armen kleinen Joschi in die Arme und...“
„Können Sie mir bitte helfen?“, unterbrach eine andere Stimme, an Kiara gewandt, den Redefluss der dicken Hundebesitzerin. Sie klang wesentlich angenehmer und kam Kiara fast wie das Halleluja eines rettenden Engels vor. Denn sie stand nun schon mindestens eine Viertelstunde in der Beauty-Abteilung bei dieser dicken Frau in dem albernen Kleid, deren Gesicht von einer grünen Maske bedeckt war, und dabei verrann die wertvolle Zeit, die sie eigentlich dafür nutzen wollte, sich nach möglichen Vergewaltigern im Club umzuschauen. Kiara musste sich eine Geschichte nach der anderen aus dem langweiligen Alltag der Alten anhören, wobei nicht so direkt zu erkennen war, wann eine aufhörte und die nächste begann. Mehrere Male hatte Kiara Anstalten gemacht, den Redeschwall der Frau zu unterbrechen, doch vergeblich. Deren Mundwerk arbeitete unentwegt. Aber einfach stehenlassen wollte sie die Kundin auch nicht, das verboten ihr die Regeln der Höflichkeit.
Umso glücklicher war sie, als sie die fremde Stimme vernahm.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte Kiara die neu Hinzugekommene. Sie war Mitte Zwanzig, hatte eine schmale Taille, die schon fast ungesund wirkte, knackig große Brüste und flammend rote, lange Haare. Sie trug einen aufregend kurzen Rock und ein enges T-Shirt.
„Ich brauche dringend Ihre Hilfe, sofort, bitte kommen Sie mit.“
„In Ordnung.“ Kiara wandte sich zu der Dicken. „Tut mir leid, das war interessant, was Sie erzählt haben, doch ich muss mich um ein Problem kümmern.“
„Aber ich war noch gar nicht fertig mit meiner Geschichte über meinen kleinen Joschi“, beschwerte sich die Kundin, deren graues Haar unter einer Haube versteckt war, nur ein paar fettige Strähnen lugten darunter hervor.
„Sie können sie mir später weiter erzählen, oder bei ihrem nächsten Besuch. Oder irgendwann“, bot Kiara an, bevor sie eilig der Rothaarigen folgte, die sie in einen Raum lotste, in dem ein einsames Sonnenbett stand.
„Hier sind Sie sicher“, sagte die Rothaarige. „Ich kenne diese Frau. Sie ist unerträglich. Ich wollte Sie nur vor ihr retten.“
Kiara zog erstaunt die Augenbrauen nach oben. „Sie brauchen mich gar nicht?“
Die andere schüttelte den Kopf. „Nein. Dieses Mal nicht. Sie sind neu im Club, oder?“
„Ja, heute ist mein erster Tag.“
„Hi, ich bin Josephine“, stellte sich die Rothaarige vor. „Ich bin Stammkundin hier und kenne die Chefs ganz gut. Und wie heißen Sie?“
„Kiara Jonas.“
Josephine lächelte. „Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen, Kiara Jonas. Ich darf doch ‚du‘ sagen?“
„Gerne“, nickte Kiara. Sie mochten beide im selben Alter sein, schätzte sie. „Ich freue mich immer über neue Bekanntschaften, vor allem, weil ich hier noch niemanden kenne. Ich arbeite eigentlich oben in der Abteilung ‚Health‘ und nutze meine Mittagspause, um den Rest des Hauses kennenzulernen. Aber ich bin nicht weit gekommen, weil diese Frau mit ihrem Geplapper mich aufgehalten hat. Gleich ist meine Pause vorüber.“ Sie beendete ihre Worte mit einem zarten Seufzer.
„Kein Problem. Die Mädels in der ‚Beauty‘-Abteilung sind ohnehin gerade schwer beschäftigt, ich kenne ihren Stundenplan. Sie sind
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