Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
selbstsicher wie heute. Es soll bei dem bewussten Mädchen sehr viel Alkohol im Spiel gewesen sein. Und das Schlimmste: Sie war noch minderjährig. Aaron Logan hat ganz schön blechen müssen, um die Sache in Ordnung zu bringen und die Presse herauszuhalten.“
Kiara zuckte zusammen. Alkohol? Oder hatte er vielleicht auch etwas anderes benutzt? K.o.-Tropfen wie bei ihr?
Ihr Herz raste. Mit einem Mal standen ihr das Gesicht und die Gestalt Jack Logans, so wie sie ihn bei dem Modelwettbewerb gesehen hatte, ganz deutlich vor Augen. Wenn sie ihn sich nun ohne Krücken und zehn Jahre jünger vorstellte... Konnte es sein, dass er es gewesen war, der...?
„Ist denn immer noch keine von diesen verdammten Kabinen frei? Ich habe nicht vor, noch bis zum Sankt Nimmerleinstag zu warten. Sie hatten zehn Minuten gesagt, die sind längst vorüber!“
Die ungeduldige Stimme von Felix Almühl, der sich ächzend von der Bank erhob, brachte sie in die Gegenwart zurück.
„Entschuldigen Sie. Ich kümmere mich sofort darum.“
Während Kiara nachschaute, wo inzwischen eine Liege geräumt geworden war, drehten sich all ihre Gedanken um die Liste der Verdächtigen, auf der ein Name an die erste Stelle gerückt war. Jack Logan. Mit Ausrufezeichen!
XI
Geschafft! Myrtel verließ das Gebäude, in dem der Club untergebracht war, ohne nach links und rechts zu sehen. Was für ein Tag! Ihr platzte fast der Kopf. Erst die unruhige Nacht, dann der fast versäumte Termin beim Notar und die anschließende Hetze zur Arbeit, wo sie mit einigen Minuten Verspätung eingetroffen war, dann die Neue mit ihrem Eigensinn, und zuletzt dieser nervige Stammkunde. Hoffentlich hatte ihre Autorität gegenüber dieser Krankenschwester keinen Schaden erlitten. Die hatte sicher bemerkt, wie hilflos die Chefin gegenüber diesem Felix Altmühl aufgetreten war. Dieser Querulant schaffte es leider immer wieder, sie durch Erpressung mit seinen angeblich guten Beziehungen zum alten Logan gefügig zu machen. Dabei durfte sie sich gegenwärtig keinen Fehler erlauben. Eine Scheiß-Situation.
Myrtel zog die leichte Jacke enger um ihren Körper. Sie wollte nur eines: auf dem schnellsten Weg nach Hause. Oder doch nicht? Dort erwarteten sie nur leere Zimmer und Schweigen. Sie verlangsamte ihren Schritt. Gern hätte sie mit jemandem geredet, ihm ihre Sorgen anvertraut. Aber wem? Die wenigen Freunde, die sie besessen hatte, machten sich rar oder hatten sich wie Karlo auf Dieters Seite geschlagen. Wer wollte schon mit einer Kranken zu tun haben?
Bei ihrem Auto angekommen, zögerte Myrtel einzusteigen. Vielleicht ein kleiner Spaziergang an den hell erleuchteten Schaufenstern vorbei? Gerade als sie sich dazu aufraffen wollte, hielt in der Parklücke hinter ihr ein uralter Kleinwagen. Tatsächlich ein VW-Käfer! Auf der Fahrerseite stieg ein junger Mann aus, lief um das Gefährt herum, öffnete die Beifahrertür und half einer jungen Frau heraus.
Studenten? Wahrscheinlich. Myrtel sah das lange rötlichblonde Haar des Mädchens, hörte ihr glückliches Lachen, als sie sich bei dem Mann einhakte. Arm in Arm gingen die beiden davon.
Dieses Bild erinnerte sie an die Zeit vor ihrer Hochzeit. Dieter hatte sie in seiner verbeulten „Ente“ durch ganz Berlin kutschiert. Komfort war ihnen nicht wichtig gewesen, sie hatten ja sich!
Myrtel wischte sich über die Augen und verscheuchte das Bild aus glücklichen Tagen.
Im Hier und Heute war sie todkrank und allein. Das Pärchen weckte Missgunst und Verzweiflung in ihr.
Hastig schloss sie das Auto auf, setzte sich hinters Steuer, drehte den Zündschlüssel im Schloss herum, beschleunigte und fuhr mit quietschenden Reifen auf die Straße. Bloß fort von hier!
In ihrer Wohnung angekommen, warf sie die Jacke aufs Sofa und ging an den Kühlschrank. Dessen Inhalt war mager, aber Myrtel hatte sowieso keinen Appetit.
Sie begab sich ins Wohnzimmer, öffnete die Hausbar und nahm eine Flasche Wein heraus. Einen Korkenzieher benötigte sie nicht, die Flasche besaß einen Schraubverschluss.
Statt ein Glas zu benutzen, setzte Myrtel die Flasche an die Lippen und trank einen großen Schluck. Als sie erkannte, wie säuferhaft das wirkte, hielt sie inne.
Ganz so tief bin ich noch nicht abgerutscht, sagte sie sich, wählte ein passendes Kristallglas aus und füllte es mit dem Wein, dann setzte sie sich auf die Couch und schaltete gleichgültig den Fernseher ein.
XII
Josephine klopfte nicht an, als sie das Zimmer von Aaron Logan
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