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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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an.
    „Wollen wir?“ Ohne Susis Zustimmung abzuwarten, ließ sich Myrtel zwei Becher mit dem beworbenen Hochlandkaffee geben und drängte die Freundin an eine Stelle, wo sie relativ ungestört waren und niemandem im Weg standen. Nur jetzt einen guten Eindruck hinterlassen, nahm sie sich vor. Nicht auszudenken, wenn Karlo erfuhr, wie es wirklich um sie stand und bei Dieter damit hausieren ging. Sie lächelte gezwungen und trank einen Schluck von dem aromatischen Getränk.
    „Ach weißt du, es ist nur ein Hobby, aber ein sehr entspannendes“, antwortete Susi, ebenfalls den heißen Kaffee schlürfend. „Du musst dir gelegentlich meine Kreationen ansehen. Manche trage ich, andere verkaufe ich im Internet. Ich habe mir im Keller eine Handarbeitsecke eingerichtet, wo ich nach Herzenslust schalten und walten kann. Aber abends vor dem Fernseher bin ich am kreativsten. Also wenn du einen echten ‚Angostini‘-Designer-Pullover möchtest, komm und such dir einen aus“, schlug sie lächelnd vor.
    „Das mache ich gern, sowie es meine Zeit erlaubt“, schränkte Myrtel ein und sah Karlos Frau forschend an. Was die sagte, klang freundlich und ernst gemeint, konnte aber genauso gut nur der übliche Smalltalk sein. Seit ihre Krankheit wieder ausgebrochen war, traute sie solchen Einladungen nicht so recht. Zu bitter waren ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit. Freunde und Bekannte hatten sie damals zu meiden begonnen, als ob ihr Leiden ansteckend sei.
    „Wie läuft es denn eigentlich im ‚Pour  Elles‘? Ist mit deinem Job alles in Ordnung? Macht er noch Spaß?“, versuchte Susi das eingetretene Schweigen zu unterbrechen, wobei sie sich bemühte, nicht auf die Uhr zu schauen.
    „Es ist ganz okay, aber wie das den Verantwortlichen eben ergeht: viel Arbeit und hin und wieder Ärger mit den Angestellten“, versuchte Myrtel zu bagatellisieren. „Durch die Trennung sind die Überstunden inzwischen das geringste Problem. Schließlich habe ich alle Zeit der Welt. Es wartet keiner zu Hause ungeduldig auf sein Abendbrot. ... Ich bin... ganz zufrieden...“
    Obwohl sie es zu verhindern suchte, wurden Myrtels Augen feucht, ihre Stimme klang rau. Und nun konnte sie auch die nächsten Worte nicht mehr aufhalten. Immerhin war Susie ihre Freundin. Sie würde Karlo gegenüber bestimmt Stillschweigen wahren.
    „Du weißt ja nicht, wie es ist: jeden Abend die leere Wohnung. Keinen Menschen zum Anlehnen zu haben. Dieter ist so ein Schwein. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte...“, brach es aus ihr heraus.
    Susi hatte den leeren Kaffeebecher beiseite gestellt. Ohne sich um die neugierigen Blicke der Vorbeigehenden zu scheren, zog sie die Freundin zu sich heran und umarmte sie, wobei ihre Augen ebenfalls feucht wurden.
    „Sag doch nicht sowas. Karlo meint, Dieter ist einfach nur überfordert“, versuchte sie Myrtel zu trösten. „Er braucht etwas Abstand, um sich darauf einzustellen, dass ihr erneut kämpfen müsst. Glaub mir, er ist kein schlechter Mensch!“
    „Meinst du wirklich?“, schluchzte Myrtel leise. „Aber wie konnte er mir das antun und zu einer anderen Frau ziehen? Nach zweiundzwanzig Ehejahren!“
    „So sind die Männer. Wenn es Probleme gibt, handeln sie kopflos wie kleine Kinder. Später tut es ihnen leid, aber dann wissen sie nicht, wie sie ihr Unrecht wieder gutmachen können. Und nichts passiert. – Er liebt dich doch. Glaub daran!“
    Susi legte all ihre Überzeugungskraft in ihre Worte und umarmte die Freundin erneut.
    „Meinst du wirklich, ich sollte es ihm leicht machen?“ Myrtel wischte sich eine Träne aus den Augen. Sie wollte zu gern daran glauben, was Susi gesagt hatte. Was würde sie darum geben, nicht mehr mit ihrer Angst allein zu sein!
    Die Freundin nickte heftig. „Tu es. Und, egal was passiert, vergiss nicht: Auf mich kannst du jederzeit zählen!“
    Myrtel fühlte sich, als sei ihr ein Stein, nein, eher ein gewaltiger Felsbrocken, vom Herzen gefallen. Wenn Susi nun Recht hatte und Dieter nur nicht wusste, wie er zu ihr zurückfinden sollte...es wäre so schön, wenn sie nicht allein leiden müsste.
    Nachdem sich die Freundin mit dem Versprechen, sich bald wieder zu melden, verabschiedet hatte, schob sie den Einkaufswagen zum Weinregal und stellte die Flaschen sorgsam zurück. Nur die mit dem Esel und die mit der Weintraube legte sie an der Kasse aufs Band.
    Kaum in ihrer Wohnung eingetroffen, ließ Myrtel die Tasche mit den Einkäufen achtlos zu Boden gleiten. Ihr erster Weg

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