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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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danach ins Kindertheater!“
    „Jajaja!“, rief Lea.
    Kiara lachte. In diesem Moment liebte sie Lea aus tiefstem Herzen, und sie fragte sich zum wiederholten Male, wieso sie dieses Kind am Anfang abgelehnt hatte. Wie konnte sie Lea nur einen Moment nicht geliebt haben?
    ‚Ich verspreche dir, mehr Zeit für dich zu haben‘, dachte sie. ‚Und ich verspreche dir, den Verbrecher zu finden, der mir und dir das angetan hat. Nur wegen ihm habe ich dich anfänglich abgelehnt und sogar daran gedacht, dich als Ungeborenes umzubringen, mein Engel. Weil er mir mein Leben entrissen hat, mir das Vertrauen und die Liebe genommen hat. Dafür wird er büßen, das verspreche ich dir. Und mir ist gerade eine Idee gekommen, wie ich es effizienter anstellen kann.‘ Aber von diesem Vorhaben durfte Lea niemals etwas erfahren.

VII
     
     
    In einer kleinen Plattenbauwohnung in Berlin-Köpenick war zur gleichen Zeit auch Physiotherapeutin Yvonne mit ihrem Kind beschäftigt. Mit einer liebevollen Geste legte sie einen Arm um ihren fast erwachsenen Sohn. Mit dem anderen hielt sie ihm ein Wasserglas hin.
    „Hier, du musst deine Medizin nehmen. Dann ist die böse Lungenentzündung bald wieder gut und du kannst in ein paar Tagen zurück zu den anderen und an deinem Modell weiterbauen. – Bitte tu es für mich“, bat sie, als sie sah, wie sich sein Gesicht verschloss.
    „Mag nicht!“ Abwehrend schob der junge Mann den Arm der Mutter beiseite, seine Lippen pressten sich fest aufeinander.
    Yvonne seufzte. Sie hatte es geahnt. Torben verabscheute alles, was seinem geregelten Tagesablauf zuwiderlief. Der war einfach gegliedert: Morgens stand er um sieben Uhr auf, frühstückte mit ihr, dann brachte sie ihn in die Kreativ-Werkstätte einer diakonischen Einrichtung. Hier lernte und arbeitete der Neunzehnjährige, betreut von geschulten Pädagogen, bis zum Nachmittag. Wenn ihr Dienst im Club zu Ende war, holte sie ihn ab. War sie für die Spätschicht eingeteilt, sprang ihre Mutter ein, bereitete das Abendessen vor und beschäftigte sich mit Torben, bis sie heimkam. Abends unternahmen sie meistens noch einen Spaziergang, wo sie sich von ihm erzählen ließ, wie sein Tag verlaufen war. Um zwanzig Uhr ging er ins Bett.
    Gestern jedoch war er ausgeschert, dem Betreuer weggelaufen und hatte sich im weitläufigen Park, der zum Gelände der Einrichtung gehörte, versteckt. Als sie ihn abholte, waren seine Sachen klitschnass gewesen, weil selbst ein hartnäckiger Regenschauer es nicht vermocht hatte, ihn in die Geborgenheit der Werkstatträume zurückzutreiben.
    Es kam, wie befürchtet. Am Morgen war er mit Fieber und einem jämmerlichen Husten aufgewacht. Glücklicherweise hatte der sofort informierte alte Hausarzt ihr die stundenlange Warterei in einer Praxis erspart, aber mit besorgtem Gesicht eine beginnende Lungenentzündung diagnostiziert und Bettruhe verordnet. Als ob Torben einen ganzen Tag lang ruhig im Bett zubringen würde. Mit Müh und Not war es Yvonne gelungen, den Sohn wenigstens im Haus zu behalten. Dabei bedurfte es ihrer ganzen Geschicklichkeit, damit er sich auf dem Sofa beschäftige. Zur Apotheke war die Oma gegangen.
    So streng sie konnte, blickte Yvonne ihren Sohn an, dem man seine Behinderung auf den ersten Blick nicht ansah. Nur wenn man in seine Augen schaute, deren Blick immer in weite Ferne entrückt schien, merkte man, dass etwas mit dem jungen Mann nicht stimmte.
    „Wenn du die Tabletten nicht nimmst, wirst du nicht gesund und Mama ist traurig. Willst du das?“
    Nach einem Moment des Überlegens schüttelte Torben den Kopf. „Nein, Mama soll nicht traurig sein“, sagte er bedächtig und verlangte: „Gib her!“
    Als sei es eine besondere Zeremonie, nahm er eine der kleinen weißen Kapseln und schluckte sie hinunter, dann die zweite und schließlich die letzte.
    „Gut?“, fragte er.
    „Ja, mein Liebling.“
    „Gut“, sagte er für sich und wandte sein Interesse wieder den Puzzlesteinen zu, die auf dem Tisch neben dem Sofa lagen.
    Auf dem Weg in die kleine Küche betrachtete Yvonne das Motiv, das man schon ganz deutlich erkennen konnte. Nur noch wenige Steinchen fehlten, damit sich das im Allgäu gelegene Schloss Neuschwanstein mit seinen zahllosen Türmen und Türmchen in voller Pracht präsentieren konnte. Eine Meisterleistung, das 500 Teile umfassende Motiv in wenigen Stunden perfekt zusammenzubauen. Torben hatte das mühelos geschafft.
    Ach, mein Großer, dachte die Mutter stolz, in dir steckt mehr, als so

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