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Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)

Titel: Tempel der Träume - Der Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Marthens
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führte sie zum Telefon.
    Nach einem geräuschvollen Ausatmen, mit dem sie sich Mut machte, griff sie entschlossen nach dem Hörer.

VI
     
     
    Das Gespenst schwebte auf halber Höhe über dem Dielenboden, sein Schwanz berührte einen windschiefen Blumenstrauß, der auf einem wackeligen Tisch stand. Mondlicht leuchtete durch ein schmales Fenster und beschien eine dreieckige Krippe, in dem ein Baby lag, das dem Gespenst zum Verwechseln ähnlich sah.
    „Können Gespenster auch Kinder bekommen?“, fragte Lea und legte den Kopf schief, um das Bild besser betrachten zu können.
    Kiara verzog den Mund zu einem Lächeln. „Das ist kein Gespenst. Das ist ein Gemälde von einer Frau mit ihrem Kind. Dass sie wie Gespenster aussehen, ist Absicht. Das nennt man ‚Abstrakte Kunst‘.“
    „Aha“, erwiderte Lea und drehte den Kopf weiter in die Horizontale, um noch besser sehen zu können, was das Bild bedeuten sollte. Aber sie hatte damit wenig Erfolg. „Und warum malen die Leute so?“
    „Die Maler wollten damals eine neue Richtung in der Kunst ausprobieren“, antwortete Kiara vage und schielte auf das Schildchen neben dem Gemälde, auf dem "Frühlingsliebe" stand. Dann waren die Gespenster vermutlich doch keine Frau mit ihrem Baby. Wohl eher etwas anderes, was der durchschnittlich intelligente Betrachter nicht so genau erkennen konnte.
    Schnell zog die Kleine Kiara zum nächsten Bild, das eine überdimensionierte Nase zeigte. „Heroischer Augenblick“ lautete der Titel.
    Lea kicherte. „Hat der Mann einen Schnäuzer?“
    „Sieht so aus. Es könnte aber auch ein Popel sein.“
    Jetzt lachte Lea herzlich auf, so dass sich ein paar Besucher der Gemäldeausstellung irritiert zu ihr umdrehten.
    „Ja, das ist eindeutig ein Popel.“
    „Und lange Nasenhaare hat der Zinken“, fügte Kiara hinzu.
    „So lang, dass man einen Zopf daraus flechten könnte.“
    „Länger als Rapunzels Zopf.“
    „Rapunzel, lass dein Nasenhaar herunter!“, rief Lea und kringelte sich vor Lachen fast auf dem Boden.
    „Welcher Prinz möchte daran nicht hochklettern“, ergänzte Kiara schmunzelnd den heiteren Dialog.
    „Kein Prinz“, quiekte Lea vor Vergnügen. „Nur ein böser Zauberer vielleicht. Oder ein Ork.“
    „Ja, bestimmt ein Ork. So wie der hier?“
    Kiara steuerte das nächste Bild an, auf dem ein kaum definierbares, schwarzes Monstrum aus einem roten Hintergrund auftauchte. Das Bild hieß „Schlüsselloch“.
    „Ja, das könnte einer sein“, erwiderte Lea, die sich zwar wieder gefangen hatte, aber immer noch breit grinste. „Der sieht mir sehr nach einem Ork aus.“
    Sie legte erneut den Kopf schief, dann wandte sie sich spontan um und schlang ihre Ärmchen um ihre Mutter. Den Kopf lehnte sie an ihren Bauch.
    Kiara strich ihrer Tochter über das blonde Haar. „Alles in Ordnung, mein Engel?“
    „Wie war dein Tag heute bei der Arbeit?“
    „Gut. Ich habe eine Frau aus dem Pool gerettet, eine andere in Folie gewickelt und eine Zupfmassage an ihr durchgeführt. Außerdem gab es Reizstrom, Fango, Ultraschalltherapie. Was willst du noch wissen? Wie das alles funktioniert?“
    „Nein!“, lachte die Kleine und drückte ihre Mutter noch fester. „Es ist so schön, dass wir mal wieder was zusammen machen. Ich freue mich sehr.“
    „Ich freue mich auch.“ Nun drückte Kiara die Tochter an sich. „Und ich hoffe, dass wir das in Zukunft noch viel öfter tun können.“
    „Das wäre so toll!“, rief Lea und drückte die Mutter noch ein bisschen mehr, so weit ihre Arme es erlaubten.
    „Ich habe jetzt viel regelmäßigere Schichten, da werden wir mehr Zeit füreinander haben.“
    „Und du kommst auch zu meiner Aufführung?“
    „Ja, ich komme bestimmt zu deiner Aufführung. Wann ist sie?“
    „Bald.“
    „Okay, an dem Tag werde ich Zeit haben.“
    Lea lachte und ließ von ihrer Mutter ab. „Ich weiß den Termin nicht genau.“
    „Das wird schon klappen“, beruhigte sie Kiara. „Und vielleicht können wir auch mal wieder gemütlich shoppen gehen.“
    „Oh ja!“, rief Lea mit leuchtenden Augen. „Und ins Kindertheater!“
    „Und schwimmen gehen!“
    „Oh ja!“ Wieder umarmte die Kleine Kiara. „Du versprichst es mir?“, fragte sie, die Wange fest an Kiaras Bauch gepresst.
    Kiara zögerte einen Augenblick. Sie war vorsichtig, was solche Zusagen betraf. Aber dann nickte sie. „Ja, ich verspreche es dir. Und am Wochenende fangen wir damit an. Wir gehen shoppen, kaufen die ein paar hübsche neue Sachen, und

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