Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
schließlich nickte sie. „Ja.“ Immerhin war es ja nur noch ein kleiner Schritt bis dahin.
„Kenne ich dich?“
„Ich denke nicht“, erwiderte sie keck. „Ich bin aus Deutschland.“
Er nickte verstehend. „Wie Heidi Klum.“
„Genau.“ Es gefiel ihr, mit der Ikone des Modelbusiness verglichen zu werden. Vielleicht würde sie eines Tages genauso berühmt sein wie Heidi. Oder wie Claudia Schiffer damals.
„Und du? Bist du Schauspieler?“, wollte sie im Gegenzug wissen. Der Mann war sehr attraktiv, er war bestimmt im Filmgeschäft tätig.
Er nickte tatsächlich. „Ich spiele in einer Serie.“ Er nannte einen Namen, den Samira noch nie gehört hatte. „Ich bin der Polizist, der immer die Parktickets verteilt.“
„Wie heißt deine Rolle?“
„Das ist die Rolle“, antwortete er. „Der Polizist, der immer die Parktickets verteilt. Nichts Großes also. Momentan spreche ich für einen großen Kinofilm vor. Mal sehen, ob es klappt. Wir sehen uns.“ Er nickte ihr grüßend zu, dann ging er weiter.
Samira sah ihm einen Moment hinterher, aber er drehte sich nicht um. Dann zog sie die Augenbrauen nach oben und kicherte. Entweder war es ihm peinlich gewesen, dass er nur einen Polizist ohne Namen in einer Serie mit unbekanntem Titel spielte, oder er fand sie zu uninteressant, weil sie nicht Heidi Klum war, um sich noch länger mit ihr zu unterhalten. Letztes würde sich bald ändern.
Sie setzte sich auf den Rand des Brunnens, der neben der Spanischen Treppe lag, die auf den Wilshire Boulevard führte. Das Wasser sprudelte hell und klar, sie benetzte ihr Gesicht damit und kühlte sich den Nacken. Vielleicht brachte es ihr Glück.
Der Abend senkte sich tiefer über die Stadt, die Laternen in den Straßen sprangen an. Samiras Körper war unendlich müde, doch ihr Geist hellwach. Sie wollte noch nicht zurück ins Motel, sondern noch ein wenig die Atmosphäre der Stadt genießen. Schnell sprang sie auf und lief weiter, sog die warme Luft ein, wobei sie der Smog überhaupt nicht störte. Sie betrachtete die Passanten, von denen sie die meisten als Touristen identifizierte.
An einer Boutique an der Ecke zum Santa Monica Boulevard blieb sie stehen. Sie kannte diesen Laden aus ihrem Lieblingsfilm „Pretty Woman“. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Hier musste sie unbedingt hinein. Er bot zwar nicht exakt denselben Anblick wie im Film, aber es musste sein.
Als sie in der Boutique stand, drehte sich Samira um sich selbst und hätte am liebsten laut gelacht vor Freude, aber sie riss sich zusammen, um nicht wie „Pretty Woman“ Julia Roberts aus dem Geschäft zu fliegen.
Traumhafte Roben von Badgley Mischka hingen darin, wie sie unter anderem von Oprah Winfrey, Jennifer Lopez, den Schauspielerinnen Halle Berry, Christina Hendricks und Kate Mara und den Supermodels Elle MacPherson und Kathy Ireland bei großen Anlässen getragen wurden.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte eine Verkäuferin, die wohl schon bessere Zeiten gesehen hatte und in deren Gesicht die kalifornische Sonne tiefe Spuren hinterlassen hatte. Nicht einmal mehrere offensichtliche Schönheitsoperationen konnten die tiefen Falten verstecken.
„Ich brauche nichts. Danke!“, erwiderte Samira, sah sich ein letztes Mal um, bevor sie das Geschäft wieder verließ. Eines Tages würde sie wiederkommen und ein Kleid kaufen. Oder zwei oder drei. Und die würde sie dann zur Oscarverleihung tragen, oder bei den Grammys. Und wenn sie zu anderen großen Veranstaltungen eingeladen wurde, in denen Abendroben gefordert waren. Eines Tages würde sie dabei sein, bei den Reichen und Schönen, den Supermodels und Modeikonen. Ganz sicher.
X
Jack nahm zum hundertsten Mal den Zettel mit der Adresse zur Hand und verglich den Namen der Pariser Straße mit dem auf dem Papier. Es war kein Irrtum. Er war richtig. Er bedeutete dem Taxifahrer anzuhalten.
„Sind Sie sicher?“, fragte der unsicher auf Englisch. „Das ist keine gute Gegend.“
„Ja, ich bin sicher“, erwiderte Jack, bezahlte den Mann und stieg aus. Die Aktentasche mit allen bisherigen Untersuchungsergebnissen hielt er fest umklammert.
Der Taxifahrer machte kehrt und fuhr mit Vollgas davon, bis er wieder auf der Hauptstraße angekommen war, die ihn zurück in die besseren Bezirke der französischen Hauptstadt brachte.
Jack sah sich um. Er befand sich inmitten von monströsen Wohnblocks, die grau und hässlich in den Pariser Himmel ragten. Schmutzige Gardinen flatterten im
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