Tempel der Träume - Der Roman (German Edition)
Sie natürlich darauf am meisten Wert legen, sollten Sie wieder gehen.“
„Nein, schon gut, mir geht es nur um mein Bein“, erwiderte Jack. Er hatte seine Verwunderung über die Umgebung und den jungen Arzt inzwischen ganz gut im Griff. Wenn Benoit tatsächlich so ausgezeichnet war, kam es auf die Umstände der Untersuchung nicht an.
„Hier ist fast alles vorhanden, was ich benötige. Nur die Medikamente bringe ich jedes Mal mit, um die Jungs nicht zum Einbruch zu verführen. Manche Pillen sind bei den Leuten hier sehr beliebt, entweder werden sie teuer verhökert oder sie schlucken sie selbst.“
„Warum lehnen Sie eine schicke Praxis ab?“
Der Mann zuckte die Schultern. „Ich habe nicht Medizin studiert, um viel Geld zu verdienen oder reiche Patienten auszunehmen. Ich bin noch immer nicht auf Vermögen aus. Ich arbeite in einem Krankenhaus, um Menschen zu helfen und nebenbei noch hier. Viele Leute aus diesem Viertel werden in den Arztpraxen und Krankenhäusern schnell abgefertigt, so dass sie das Gefühl haben, nicht die richtige Versorgung zu erhalten. Dann kommen sie zu mir, um eine zweite Meinung zu hören.“
„Ist das gerechtfertigt?“
„Zum Teil schon. Hier in Frankreich müssen die Versicherten in Vorleistung gehen und erhalten dann die Kosten von ihrer Kasse ersetzt. Wer aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse vorab nicht zahlen kann, wird oft nur notdürftig versorgt. Manche werden sogar völlig falsch behandelt, nur damit man sie schneller loswird. Und viele sind gar nicht erst versichert, dann kommen sie gleich zu mir.“
„Das rechnet sich für Sie?“
„Ja, das rechnet sich. Meine Leistung wird von diesen Menschen oft anderweitig honoriert.“ Der Mann verzog den Mund zu einem Lächeln. „Eine Hand wäscht die andere. Das gilt auch bei den Armen. – Also, was ist Ihr Problem?“
Jack deutete auf sein Bein. „Ich hatte vor einigen Monaten einen Unfall mit einem offenen Bruch. Der Knochen wurde genagelt und wuchs auch ordentlich zusammen. Eigentlich müsste ich längst mit dem Training beginnen, aber ich habe ständig Schmerzen, so dass ich kaum eine Übung ausführen kann. Mein Physiotherapeut ist am Ende mit seinem Latein, mein Trainer wird ungeduldig, das ganze Team wartet unruhig, dass ich wieder anfange, aber es geht nicht.“
„Haben Sie Ihre Röntgenaufnahmen, die Bilder vom MRT und CT mitgebracht?“
Jack nickte und öffnete die Aktentasche mit den Unterlagen. Er reichte sie dem Arzt, der sie ins Licht einer Lampe hielt und aufmerksam studierte.
Jack wartete atemlos auf eine Reaktion des jungen Mannes. Er wagte es kaum, sich zu räuspern, um dessen Konzentration nicht zu stören.
Schließlich senkte der Mann die Aufnahmen und sah Jack mit ernstem Blick an.
„Ich fürchte, den Sport müssen Sie an den Nagel hängen.“
Jack schluckte. Die Worte bohrten sich wie ein Skalpell direkt in sein Herz. Genau das hatten die Ärzte um Doktor Gold auch gesagt. Das konnte doch nicht sein!
„Sie müssen sich irren.“
Doktor Benoit schüttelte bedauernd den Kopf. „Es tut mir leid, wenn Sie etwas anderes hören wollten, aber eine positive Diagnose kann ich nicht stellen“, fügte er hinzu. Er deutete mit dem Finger auf zahllose winzige Körnchen neben der Bruchstelle, die auf dem Röntgenbild zu sehen waren.
„Sehen Sie das hier? Das sind Wucherungen des Knochens, die beim Zusammenwachsen der Bruchstelle entstanden sind. Das passiert gelegentlich, ist also nichts Besonderes. Es kann auch durch zu starke Beanspruchung entstehen. Dadurch entzündet sich das umliegende Gewebe und verursacht Schmerzen.“
„Aber die Wucherungen kann man doch entfernen?“, fragte Jack hoffnungsvoll.
„Ja, das kann man, sogar recht unkompliziert durch einen winzigen Schnitt am Bein. Aber in Ihrem Fall kommt erschwerend hinzu, dass Teile der Wucherung wie Splitter in den Muskel hineingewachsen sind. Man muss einen Teil des Muskels zerstören, um diese Splitter zu entfernen. Es ist eigentlich kein schwieriger Eingriff. Ich würde Ihnen auf jeden Fall zu der Operation raten; einerseits um die Schmerzen loszuwerden, andererseits um ein Abbrechen der Splitter zu verhindern. Letzteres würde noch größere Schäden verursachen. Allerdings würde der Muskel nach der Operation viel Zeit benötigen, um die entstandene Funktionsstörung auszugleichen. Sie werden vermutlich bald wieder normal laufen können, aber Höchstleistungen im Sport halte ich für ausgeschlossen. Zumal ich der Meinung bin,
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