Tempelhyänen
sie zuvorkommend. Nicht so, als sähe sie aus wie der leibhaftige Tod. Wie sie übrigens auch roch.
»Morpheus noch auf?«
»Hat Besuch.« Ich entnahm der Art, wie er das sagte, daß es bei diesem Besuch nicht um Geschäfte ging.
»Sein Entschluß hat ja nicht sehr lange gehalten.«
»Haben Sie auch gewettet?«
»Nein.« Aber seine Jungs ganz bestimmt, das Pack.
Kuddel ging ans Sprechrohr, redete und hörte zu. Das Spiel wiederholte sich, dann kam er zurück. »Wird ‘n Weilchen dauern. Er meint, ihr sollt essen. Geht aufs Haus.«
Würg.
»Klingt großartig«, sagte Maya, bevor ich es ablehnen konnte. »Ich könnte ein Pferd verschlingen.«
»Hier wirst du keins kriegen«, knurrte ich. »Pferdekraut, Pferdefenchel, Pferderadieschen, Pferdeklee, klar, bis zum Abwinken, aber …«
Kuddel brüllte nach hinten, sie sollten zwei Spezialteller machen, dann beugte er sich vor und stützte sich auf den Tresen. »Was brauchst’n, Garrett? Vielleicht kann ich dir ja ein bißchen Zeit ersparen.«
Ich warf Maya einen Blick zu. Sie lächelte, weil sie sehr genau wußte, daß Kuddel nur deshalb so freundlich war, weil ich eine Frau bei mir hatte.
Wieso sind sie schon so jung verdorben?
»Ich brauche einen Fährtenschnüffler, Kuddel. Einen guten. Ich versuche, die Spur eines Burschen zu verfolgen.«
»Schon kalt?«
»Nicht sehr kalt. Und er hat geblutet. Aber sie kühlt schnell aus.«
»Bin gleich wieder da. Ich hab genau das Richtige für dich.« Er ging in die Küche. Ein anderer Elfen-Mensch-Mischling nahm seinen Platz ein. Er war jünger. Er stellte zwei Teller auf den Tresen, knallte Besteck daneben und bedachte Maya mit einem Blick, als überlege er, ob sie wohl ansteckend war. Dann trollte er sich ans andere Ende des Tresens, um dort eine Bestellung aufzunehmen.
»Der da ist nicht besonders nett«, verkündete Maya. »Aber der ältere Bursche war in Ordnung.« Sie beäugte ihren Teller.
Der Spezialteller sah aus wie gebratenes Gras auf einem Beet gebleichter Maden, das ganze bedeckt mit einer Schleimsoße, garniert mit Giftpilzstengeln und kleinen Stücken schwarzem Fell. »Kein Wunder, daß Vegetarier so widerlich sind«, knurrte ich.
Maya stürzte sich auf ihr Essen. Als sie mal kurz die Gabel sinken ließ, um Luft zu holen, sagte sie: »So schlecht ist das gar nicht, Garrett.«
Ich fischte mir aus meiner Mahlzeit die Pilze raus und knabberte drauf rum. Sie hatte recht. Aber das hätte ich niemals zugegeben, schon gar nicht vor Zeugen. »Kuddel ist auch nicht zuvorkommend. Er bringt Leute raus zum Fluß, bindet ihnen Steine an die Füße, wirft sie rein und fordert sie dann zu einem Wettrennen zum Ufer auf. Wenn sie ihn schlagen, sagt er, bindet er sie los. Ich habe gehört, einige haben den ganzen Weg zum Grund des Flusses wie die Wilden gepaddelt.«
Sie blickte mich an, um rauszufinden, ob ich Scherze machte. Und sah, daß ich es ernst meinte. Na gut, vielleicht hatte ich ein kleines bißchen übertrieben, aber Kuddel war kein netter Mann. Morpheus Ahrm hätte niemals einen netten Menschen angestellt.
Sie las schon wieder meine Gedanken. »Gibt es denn gar keine netten Menschen mehr?«
»Doch. Wir treffen sie nur nie.«
»Nenn mir zwei«, forderte sie mich heraus.
»Dean. Eine Freundin von mir, Tinnie Täte. Ihr Onkel Willard. Mein Freund Lou Latsch.«
»Schon gut. Is’ ja gut.«
»Ganz zu schweigen von meiner hohen Meinung von mir selbst.«
»War klar. Ich sagte ja: schon gut, Garrett. Vergiß die Frage einfach. Willst du’s nicht aufessen? Dann gib’s mir.«
Ich schob ihr meinen Teller rüber. Wo ließ sie das alles nur?
Kuddel kam zurück. Bei ihm war der schmierigste Rattenmann, den ich jemals gesehen hatte. Er hatte noch viel vom alten Blut: lange Barthaare, eine lange Schnauze, räudiges Fell und einen mindestens einszwanzig langen Rattenschwanz. Er war ein Abkömmling eines der weniger erfolgreichen Experimente zwei Jahrhunderte zuvor. Damals war Lebensmagie die reinste Manie, und jeder, der mit Müh und Not einen Zauberspruch stammeln konnte, versuchte neue Formen zu schaffen. An keinen dieser Zauberer erinnert sich heute noch jemand, aber ihre Kreaturen leben immer noch unter uns. Damals waren sie ungeheuer stolz auf ihre Pfuschereien mit Ratten gewesen.
Ich brüste mich damit, tolerant zu sein und keine Vorurteile zu haben, aber ich habe immer einen Dreh gefunden, wie ich Rattenmenschen von meiner Toleranz ausnehmen konnte. Ich kann nichts dagegen tun. Ich mag sie nicht, und
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