Tempelhyänen
Minuten hier gesessen, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor.
»Wen haben wir denn da?« sagte Maya kühl.
15. Kapitel
Es war Jill Craight. Aber eine Jill Craight, die aussah, als wäre sie eben Zombie und seinen zwölf Aposteln begegnet. Sie wäre an uns vorbeigerauscht, wenn ich sie nicht angesprochen hätte.
»Jill?«
Sie schrie auf und zuckte heftig zusammen. Dann erkannte sie mich. »Garrett. Ich wollte gerade zu Ihnen. Sonst hab ich keinen, an den ich mich wenden könnte.« Ihre Stimme klang brüchig. Sie sah Maya an, erkannte sie aber offenbar nicht.
»Was ist los?«
Sie schluckte. »Da liegen … In meiner Wohnung liegen Tote. Drei Männer. Was soll ich jetzt machen?«
Ich stand auf. »Das will ich mir erst mal ansehen.«
Maya sprang förmlich hoch und schloß sich uns wortlos an. Jill war zu fertig. Sie achtete nicht auf das Mädchen. Vermutlich war Maya sicherer, wenn wir sie mitschleppten, als wenn sie hier allein herumstreunte.
Neben der Tür von Jills Apartmenthaus sah ich was, das mir vorhin entgangen war. Blut. Die Frauen bemerkten es nicht.
Drinnen sah ich noch mehr Blutflecken. Sie waren winzig, so klein, daß man sie übersah, wenn man nicht direkt nach ihnen suchte. Außerdem fiel mir auf, daß das Gebäude in weit besserem Zustand war als andere dieses Alters.
Lampen auf den einzelnen Treppenabsätzen erhellten die Stufen. Als wir den zweiten Stock erreicht hatten, hörte ich Geräusche. Das plötzliche Gelächter einer Frau, so überraschend wie ein zerspringendes Glas. Dann hörten wir das Stöhnen einer anderen Frau. Entweder hatte sie eine Menge Spaß oder ziemlich schlimme Bauchschmerzen.
Die Geräusche kamen aus den Wohnungen hinter zwei der vier Türen, die vom Flur des zweiten Stocks abgingen. Im ersten Stock waren genauso viele Wohnungen gewesen. Die Apartments konnten nicht groß sein, und waren offenbar auch nicht besonders schallisoliert. Wieso war hier nicht der Teufel los, wenn drei Männer umgelegt wurden?
Ganz einfach: Weil Jill weiter oben wohnte. Ihr Stockwerk war vornehmer. Hier gab es nur zwei größere Wohnungen. »Wer wohnt da drüben?«
Jill stieß die Tür auf. »Keiner. Es ist im Moment frei.«
»Warten Sie.« Ich wollte als erster reingehen, sicherheitshalber. Ich überprüfte die Tür. Dieses Schloß konnte nur ehrliche Leute abhalten. Ein Profi würde sich kaum länger als eine Sekunde davon aufhalten lassen.
Derjenige, der das Brecheisen als Schlüssel benutzt hatte, konnte also keine Ahnung davon haben, wie man ein Schloß aufbekommt. Und den Krach hatte keiner gehört?
Die Leute neigen eben dazu, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern.
Das Zimmer wirkte unberührt. Es war erheblich eleganter eingerichtet, als es sich eine Jill Craight leisten konnte. Sogar in der Oberstadt hatte ich schon ärmlichere Wohnungen gesehen.
Jill Craight hatte einen Mäzen. Oder einen einflußreichen Stammkunden, oder jemanden, der viel zu verlieren hatte. Das war vielleicht auch die Erklärung dafür, daß jemand das Haus beobachtet und versucht hatte, einzubrechen. Vielleicht hockte sie ja auch einfach nur auf einem lebensgefährlichen Beweisstück.
Die Blutspur führte zu einer Tür, die gut fünf Zentimeter offenstand. Dahinter lag ein etwa sechs Quadratmeter großer Raum, der mit allem möglichen Müll vollgestopft war. Anders konnte man das nicht nennen. Müll. Jill war ein richtiges Eichhörnchen.
Und mitten in dem ganzen Müll lag eine Leiche. Ein Mann, blond, ungefähr Mitte Zwanzig. Er hatte immer noch diese wettergegerbte Gesichtshaut, die typisch für einen längeren Aufenthalt im Cantard ist. Vielleicht war er mal ganz attraktiv gewesen. Jetzt sah er nur überrascht aus. Und ziemlich tot.
»Wissen Sie, wer das ist?« fragte ich.
»Nein«, erwiderte Jill. Maya schüttelte den Kopf. Ich sah sie finster an, und sie legte das silberne Dingsbums wieder hin, das sie gerade hatte einsacken wollen.
»Anscheinend hat er jemanden überrumpelt, der gerade Ihre Sachen durchwühlt hat. Beide waren überrascht.« Ich trat über den Toten zu einer anderen Tür.
In dem Zimmer dahinter schlief Jill. Offenbar war es gleichzeitig auch ihr Arbeitszimmer. Sah jedenfalls so aus.
Hier lagen noch zwei Leichen rum. Überall war Blut. Als hätte jemand es in Eimer gefüllt und im ganzen Raum verteilt. Anscheinend hatten einige Männer den Kerl aus dem vorigen Raum gejagt und andere versucht, ihn von der Schlafzimmertür fernzuhalten. Die führte auf
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