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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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Moment war ich mir absolut sicher: Irgendwo da draußen wartete jemand auf mich. Jemand, den ich noch nicht kannte; den ich aber erkennen würde, sobald er meine Hand nahm.

Angriff

    Die Realität holte mich schnell ein. In der Schule fingen mich Dennis und Linn vor unserem Klassenzimmer ab.
    »Sieh an, unsere afrikanische Streberin ist wieder da! Hältst dich wohl für was Besseres, dass du zum Friseur gehst, statt in die Schule zu kommen, was?«, giftete Dennis.
    Eilig wollte ich mich an den beiden vorbeidrängeln, doch Linn hielt mich am Jackenärmel fest: »Nun lass doch mal sehen! Bist du sicher, dass dein Friseur nicht paarmal mit der Schere abgerutscht ist? Ganz schön schief und krumm an einigen Stellen. Echt krass. Also, ich würde mich an deiner Stelle nicht so aus dem Haus trauen. Versuch’s doch mal mit ’ner Mütze!« Sie und Dennis lachten.
    »Lass mich zufrieden«, fuhr ich sie an. Noch nie zuvor hatte ich mich gewehrt.
    »He, wie redest du mit meiner Freundin?« Dennis stellte sich breitbeinig vor mich. Sein bedrucktes, etwas löchriges T-Shirt versperrte mir die Sicht.
    »Idiot«, hörte ich mich zu meinem Entsetzen zischen. Was war bloß in mich gefahren? Das würde Folgen haben, das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Fürs Erste aber hatte ich Glück, denn unser Mathelehrer kam um die Ecke. In seinem Windschatten schlüpfte ich schnell ins Klassenzimmer und setzte mich auf meinen Platz. Vorerst war ich den beiden entkommen.
    Statt dem Matheunterricht zu folgen, dachte ich darüber nach, was Dennis gesagt hatte. In seinen Augen war ich eine Streberin. Aber nicht nur das. Er glaubte auch, dass ich mich für etwas Besseres hielt. Das stimmte nicht. Ganz und gar nicht. Sicherlich hatte ich mich von Anfang an abseits gehalten und nur wenig mit den anderen gesprochen. Aber das lag daran, dass ich keinen kannte und es mir nicht gut ging. Wenn man Probleme hat, ist man nicht so gesprächig und in der Stimmung über die Witze anderer zu lachen. Vor allem nicht, wenn sie blöd waren. Erschwerend kam hinzu, dass ich immer davon ausgegangen war, nicht lange in Schweden zu bleiben. Jetzt hatte sich die Situation zugegebenermaßen geändert. Es gab nichts mehr, was mich nach Kenia zog. Ich seufzte halblaut. Alle drehten sich zu mir um. Linn kicherte. Ich wurde rot.
    Die Schulstunden zogen sich quälend in die Länge. Den ganzen Tag über ging ich Dennis, Malte, Ole und Linn erfolgreich aus dem Weg. Doch nach Unterrichtsschluss nahm das Unvermeidliche seinen Lauf. Schon von Weitem sah ich die vier vor dem Schultor auf mich warten. Ich hatte keine Chance, ihnen zu entkommen. Wenn ich nach Hause wollte, musste ich wohl oder übel durch das Tor. Ich merkte, wie meine Hände feucht wurden und mein Puls zu rasen begann.
    »Was hast du vorhin zu mir gesagt?« Ich hatte das Tor erreicht und stand Dennis genau gegenüber. »Habe ich richtig gehört? Hast du etwa Idiot zu mir gesagt?« Er guckte mich aus grauen Schlitzen böse an, während die anderen einen Halbkreis um mich bildeten. »He, ich habe dich was gefragt, Streberin!« Dennis kam drohend auf mich zu. In seiner Hand blitzte etwas. Ich konnte nicht genau sehen, was es war, aber ich befürchtete das Schlimmste. Entsetzt ging ich einen Schritt zurück. Dennis grinste zufrieden und machte fast gleichzeitig einen Schritt vor. Die anderen lachten.
    Aus dem Augenwinkel sah ich, dass ein paar Schüler stehen geblieben waren und uns beobachteten. Aber niemand kam mir zu Hilfe. Erneut wich ich vor Dennis zurück, woraufhin er sofort einen Schritt in meine Richtung machte. Dieses Spiel wiederholte sich mehrmals: Ich ging zurück, er vor. Auf diese Weise trieb er mich vor sich her.
    Versuche, einen klaren Kopf zu behalten, befahl ich mir selbst. Lass dir deine Angst nicht anmerken! »Was willst du von mir? Lass mich in Frieden«, sagte ich mit möglichst fester Stimme.
    »Ich will wissen, ob du vorhin Idiot zu mir gesagt hast.«
    »Ja, habe ich. Wenn du dich auch wie einer benimmst!« Meine Stimme klang eine Spur zu hoch. Das Blut rauschte in meinem Kopf.
    Dennis’ hässliche Fratze kam immer näher. Es schien ihm Spaß zu machen, mir Angst einzujagen. Beim Rückwärtsgehen stieß ich plötzlich mit dem Fuß gegen einen Gegenstand und stolperte. Ich ruderte wild mit den Armen in der Luft und sah mich bereits hinfallen, da packte mich unerwartet eine starke Hand am Oberarm und bewahrte mich vor dem Sturz.
    »Was will der Typ von dir, Elina?« Wie aus dem Nichts

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