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Tempus (German Edition)

Tempus (German Edition)

Titel: Tempus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maud Schwarz
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war Jonas aufgetaucht. Der Monteur von gestern. Was hatte er hier zu suchen? Verständnislos starrte ich ihn an. Er zwinkerte mir zu und legte seine Hand wie selbstverständlich auf meine Schulter. Zu Dennis gewandt sagte er: »He, gibt’s ein Problem?«
    »Was geht dich das an?!« Dennis versuchte, lässig zu wirken. Ich merkte jedoch, dass er eingeschüchtert war, was mich nicht weiter erstaunte. Jonas war um einiges größer und breiter als er.
    »Das geht mich eine ganze Menge an, Kleiner«, meinte Jonas seelenruhig und betrachtete seine rechte Hand. Er spreizte seine Finger, schloss sie zur Faust und spreizte sie erneut. »Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, mach ich dich fertig.«
    »Oh, jetzt hab ich aber Angst«, höhnte Dennis schwach.
    »Solltest du auch, du Zwerg! Ich behalte dich im Auge. Komm Elina, ich bring dich nach Hause.« Jonas zog mich zu einem kleinen weißen Lieferwagen.
    »Was machst du hier?«, fragte ich mit noch immer leicht schriller Stimme, als wir außer Hörweite waren.
    »Arbeiten. Auch in Schulen fallen Heizungen aus«, feixte er und sah dabei überhaupt nicht mehr furchteinflößend aus.
    »Du hast gar keine Ahnung, wie froh ich bin, dich zu sehen!« Am liebsten wäre ich ihm um den Hals gefallen.
    »War ’n cooler Auftritt, oder?! – Komm steig ein!« Jonas hielt mir zu meinem Erstaunen die Tür auf. Ein solches Benehmen passte eigentlich gar nicht zu ihm. Jedenfalls nicht zu seinem Aussehen. Ich musste an Hedda denken, die immer sagte: Menschen können einen überraschen. Im Guten wie im Schlechten.
    »Danke«, murmelte ich und setzte mich auf den Beifahrersitz. Jonas ging um den Wagen herum, stieg ein und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Gerade als er losfahren wollte, fiel mir etwas ein. »Könntest du mir noch einen Gefallen tun?«
    »Klar. Was gibt’s?«
    »Könntest du denen da sagen«, ich nickte in Richtung Dennis und seiner Clique, die noch immer am Schultor standen, »dass sie mein Bild aus dem Internet nehmen sollen? Das auf der Schülerplattform?«
    »Welches Foto?«
    »Is’ egal. Die wissen schon, welches gemeint ist.«
    »Okay, kein Problem.« Jonas stieg aus dem Wagen und marschierte mit leicht wiegendem Gang wie ein Schwergewichtsboxer zu der Gruppe hinüber. Nach wenigen Minuten kam er zurück.
    »Ist erledigt!« Jonas ließ den Motor an und fuhr los.
    »Danke«, sagte ich leise.
    »Was war denn da eigentlich los?«
    »Nichts Besonderes.« Mir war die Sache peinlich. Besonders die mit dem Foto. Ich hatte weder meinen Eltern davon erzählt noch die Lehrer gebeten, etwas zu unternehmen. Einfach, weil ich mich schämte und ich nicht noch mehr Ärger haben wollte.
    »Scheißtypen«, brummte Jonas. »Wenn ich mal wieder was für dich tun kann, sag Bescheid.«
    »Danke, das ist echt nett von dir.« Ich versuchte, zu lächeln.
    »Ich hab jetzt einen gut bei dir, oder?« Seine Augen blitzten übermütig.
    »Ja, hast du!«
    »Tja, wie es aussieht, musst du wohl doch mit mir ins Kino.«
    »Was, jetzt??«
    »Nee, nicht heute. Ich hab noch paar Kundentermine. Aber vielleicht morgen?«
    »Ja, vielleicht. Ich muss erst meine Eltern fragen. Ich ruf dich an.«
    »Okay. Hier haste meine Nummer.« Jonas fischte eine Visitenkarte aus dem Handschuhfach, das extrem zugemüllt war, und reichte sie mir. Den Rest der Fahrt redete nur noch der Moderator im Radio. Mit übertrieben gutgelaunter Stimme, die einem auf die Nerven gehen konnte, kündigte er alle naselang aktuelle Chart-Titel an. Die meisten davon konnte ich schon nicht mehr hören, so oft wurden sie gedudelt. Jonas dagegen summte bei fast allen zufrieden mit.
    Gut fünfzehn Minuten später erreichten wir das Haus meiner Eltern. Jonas bremste, sprang aus dem Auto und lief zu mir auf die Beifahrerseite. Bevor er mir die Tür aufmachen konnte, war ich schon ausgestiegen. »Tschüss, und vielen Dank noch mal.« Spontan reichte ich ihm meine Hand.
    »Du bist aber förmlich«, meinte er und ergriff sie. Jonas’ Hand fühlte sich warm, groß und kräftig an. Ansonsten spürte ich nichts. Rein gar nichts. Das war nicht die richtige Hand. Jedenfalls nicht die, die für mich bestimmt war. »Du rufst an, ja?«, fragte er.
    »Ja, mache ich. Bis dann.« Ich winkte ihm zu.
    »Ciao.« Jonas stieg in seinen Wagen und fuhr davon.
    Nachdenklich sah ich ihm hinterher. Über zwei Dinge war ich mir absolut sicher: Erstens, ich würde ihm für immer dankbar sein. Zweitens, er war nicht der, nach dem ich suchte. Das hatte ich mir zwar

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