Tempus (German Edition)
schon fast von Anfang an gedacht, dennoch war ich ein bisschen enttäuscht, als ich ins Haus ging. Erik empfing mich in der Diele.
»Wer war denn das ?«, fragte er. Offenbar hatte er uns vom Fenster aus beobachtet.
»Der Heizungsmonteur von gestern.«
»Und warum bringt der dich nach Hause?«
»Hab ihn zufällig in der Schule getroffen. Er hatte dort zu tun.«
» UND ?«
»Er hat mich mitgenommen, weil’s auf seinem Weg lag.« Warum musste ich bloß so neugierige Eltern haben? Das war wirklich lästig.
Erik sah mich verblüfft an. »Das ist alles?«
»Ja. – Das heißt: Kann ich morgen mit ihm ins Kino?«
»Du willst was? Bist du verrückt geworden? Ich lass dich doch nicht mit so einem ins Kino!« Erik schnappte nach Luft.
»Was heißt denn mit ›so einem ‹?«, empörte ich mich mehr aus Gewohnheit.
Erik wurde verlegen. »Ich meine, mit jemandem, der so viel älter ist als du.«
»Ach so«, sagte ich. »Also nicht?«
»Kein Kino. Kommt nicht infrage.« Erik hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
»Okay.«
»Okay?«, echote Erik ungläubig.
»Ja, okay«, erwiderte ich und ging die Treppe hoch. Auf halbem Weg drehte ich mich um. »Aber ich schulde ihm einen Gefallen, Erik.«
»Warum?«
»Is’ doch egal.«
»Ist es nicht.«
»Ich hatte Ärger in der Schule und er hat mir geholfen.«
»Wieso hattest du Ärger?«
»Okay, ich sag ihm ab«, beendete ich genervt das Verhör. Ich ging in mein Zimmer und wählte Jonas’ Nummer.
»Kann man nichts machen, wenn deine Eltern es verbieten.« Jonas schien nicht ganz so enttäuscht zu sein, wie ich befürchtet hatte.
»Tut mir leid.«
»Kannst ja nix ’für. – Wann wirst du achtzehn?«, wollte er wissen.
»In einem Jahr und paar Tagen.«
»Du bist noch sechzehn?!!!!!«
»Nicht mehr lange!«
Er lachte. »Gehen wir eben in einem Jahr ins Kino.« So schnell schien ihn nichts zu erschüttern. »Elina?!«
»Ja?«
»Wenn du wieder Ärger hast, – ich meine nicht nur in der Schule, sondern auch sonst – sag Bescheid, ja?!«
Jonas sah zwar überhaupt nicht so aus, wie man sich einen netten Typen vorstellte, aber er war es, stellte ich nicht zum ersten Mal fest.
»Ja, mache ich. Danke«, murmelte ich in den Telefonhörer.
»Aber auch wirklich tun! Einfach anrufen!« Im Hintergrund wurde es laut. Jemand rief etwas. »Ich muss aufhören«, Jonas klang gehetzt, »die Arbeit ruft. Tschüss!« In der Leitung klickte es. Er hatte aufgelegt.
Geburtstagsgeschenk
Dank Jonas hatte ich keinen Ärger mehr in der Schule. Dennis, Malte, Ole und Linn hielten Abstand. Hin und wieder fing ich einen argwöhnischen Blick von ihnen auf. Aber das war alles. In den Augen der anderen Schüler sah ich so etwas wie Respekt, was ich zum Teil Agnes zu verdanken hatte. Ohne mein Wissen und meine Zustimmung, hatte sie das Gerücht in Umlauf gesetzt, dass Jonas mein Freund sei. Ich sah keinen Anlass, das richtigzustellen. Mein Leben war nun so viel einfacher. Ich nutzte die Gunst der Stunde und suchte in den Pausen öfter den Kontakt zu meinen Mitschülern. Ich gab mir Mühe, selbst über die dümmsten Witze zu lachen und rauchte sogar die eine oder andere Zigarette, obwohl mir von beidem übel wurde. Dafür war ich schon bald nicht mehr das unbeliebteste Mädchen an der Schule. So einfach war das. Richtige Freunde hatte ich allerdings nach wie vor nicht. Ab und zu simste ich mit Jonas oder Agnes hin und her, womit sich meine sozialen Kontakte außerhalb der Schule aber auch schon erschöpften. Die Nachmittage und Abende verbrachte ich weiterhin allein. Ich saß stundenlang am Computer, wälzte Bücher über Cäsar, die ich mir inzwischen besorgt hatte, surfte im Internet und tippte mir die Finger wund. Obwohl ich besserer Stimmung war, schienen sich Erik und Hedda noch immer Sorgen um mich zu machen.
»Sitzt du schon wieder vorm Computer?«, fragte Hedda mich, als sie nach der Arbeit zu mir ins Zimmer kam.
»Mhmm.«
»Bist du mit deinem Referat nicht schon lange fertig?«
»Nein.«
Hedda stand jetzt direkt neben meinem Schreibtisch. So schnell gab sie nicht auf. »Das artet ja in Besessenheit aus. – Elina, mach wenigstens mal eine Pause und iss mit uns.«
»Mhmm.«
Eine halbe Stunde später stand Erik in meinem Zimmer. »Elina, ESSEN!«
»Ja, gleich«, antwortete ich mechanisch.
»Nicht gleich, sondern sofort.«
Widerwillig stand ich auf und ging mit ihm nach unten. In der Küche roch es nach Fisch. Wir setzten uns an den bereits fertig gedeckten Tisch
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