Tempus (German Edition)
und füllten uns die Teller auf.
»Hedda sagt, du bist mit dem Referat noch nicht fertig«, meinte Erik halb fragend, halb feststellend, während er hungrig über das Essen herfiel. Hedda schüttelte missbilligend den Kopf. Es galt ausnahmsweise nicht mir.
»Nee, noch nicht ganz. Aber fast«, erwiderte ich.
»Du scheinst daraus ja eine Doktorarbeit zu machen«, feixte er.
»Die Materie ist sehr komplex.«
»Sicher. Aber du wolltest dich doch auf den Aspekt Verrat konzentrieren.«
»Mache ich auch. Aber das ist nicht so einfach.«
»Was ist daran nicht einfach?«, schaltete sich Hedda ein.
Ich hasste es, wenn sie mich so mit Fragen bombardierten. »War halt ’ne Zeit, in der es drunter und drüber ging. Mit viel Neid, Intrigen und so«, murmelte ich.
»Hört sich nach meinem Krankenhausjob an.« Erik schnitt eine Grimasse. »Apropos ›drunter und drüber‹: War Brutus nun eigentlich Cäsars Sohn?«
Ich stöhnte innerlich auf. Wie es aussah, würde die Vernehmung noch eine Weile weitergehen. »Nö, Brutus war der Sohn von Cäsars Geliebten. Deshalb dachten viele er sei sein Sohn. Auch weil er ihn immer unterstützt und ihm vieles verziehen hat«, erklärte ich und nahm einen Schluck Milch.
»Was hat er ihm zum Beispiel verziehen?«, fragte Hedda.
Ich nahm einen weiteren Schluck Milch und leierte mein angelesenes Halbwissen herunter. »49 vor Christus gab es in Rom einen Bürgerkrieg. Brutus schlug sich nicht auf die Seite von Cäsar, sondern kämpfte gegen ihn. Cäsar gewann den Krieg und verzieh Brutus. Statt dankbar zu sein, zettelte Brutus ein paar Jahre später eine Verschwörung gegen Cäsar an. Cäsar wurde zu einer Senatssitzung gelockt, wo ihn Brutus und einige der Senatoren mit mehreren Dolchstichen ermordet haben. – Echt üble Geschichte.«
»Na ja, so ein richtiges Unschuldslamm war Cäsar ja auch nicht«, warf Hedda ein. Ihre Augen irrten über den Tisch. Sie suchte wie üblich das Salz. »Bei den Kriegen, die er geführt hat, möchte ich nicht wissen, wie viele Menschen gestorben sind.«
Ich musste allein an die eine Million abgeschlachteten Gallier denken; ich schwieg jedoch.
»Unabhängig davon hat er sich zum Diktator aufgeschwungen und damit die Senatoren entmachtet«, fuhr Hedda fort. »Dass den Senatoren das nicht schmecken würde, dürfte ihm klar gewesen sein. Wie viele Jahre vor seinem Tod war das eigentlich, Elina?«
»Was jetzt?«
»Dass er Diktator wurde!« Hedda klang eine Spur zu gereizt.
»Ach so, warte mal. Das war 46 vor Christus. Also drei Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs beziehungsweise«, ich dachte kurz nach, »zwei Jahre bevor er ermordet wurde.«
Hedda und Erik schwiegen. Hoffentlich war die Fragestunde endlich vorbei.
»Also, ich hab kein Mitleid mit Cäsar«, meinte Hedda nach einer Weile. »Und ihr solltet es auch nicht haben. Wir sind schließlich Demokraten.«
»Das habe ich gemerkt«, entfuhr es mir.
Hedda sah mich an und zog die Augenbrauen hoch. Ich war mir sicher, dass sie genau wusste, was ich mit meiner Bemerkung gemeint hatte. Mehr aus Trotz fügte ich deshalb hinzu: »War echt demokratisch, wie ihr allein beschlossen habt, aus Kenia wegzugehen.«
Hedda machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch Erik kam ihr zuvor: »Elina, was hältst du davon, deine Cäsar-Studien vor Ort abzuschließen?«, fragte er schnell.
»Was heißt das?« Ich legte überrascht die Gabel beiseite.
»Nächstes Wochenende ist ein Ärztekongress in Rom, zu dem ich unbedingt will, und du könntest mitkommen. Als Geschenk zu deinem Geburtstag. Außerdem wäre es mal was anderes, als immer nur vorm Computer zu hocken. In Rom hast du die Möglichkeit, dir alles selbst anzusehen. Da riecht man förmlich auf Schritt und Tritt Historie. Ich denke da nur an das Kolosseum oder das Forum Romanun. Na, was sagst du dazu?«
»Ich weiß nicht.« Skeptisch blickte ich zwischen Hedda und Erik hin und her.
»Du weißt nicht???« Heddas Nasenlöcher blähten sich. »So etwas hätte man mir in deinem Alter mal vorschlagen sollen!!«
»Und wie lauten die Bedingungen?«, wollte ich wissen.
»Es gibt keine Bedingungen.« Erik hob beide Hände hoch als Zeichen dafür, dass er nichts zu verbergen hatte. »Wie gesagt, es ist ein Geschenk zu deinem Siebzehnten.«
»Wenn es so ist – klar, warum nicht?!«
»Stopp, es gibt doch eine Bedingung«, meldete sich Hedda zu Wort.
Ich verdrehte die Augen. Das wäre ja auch zu schön gewesen, um wahr zu sein.
»Ich möchte, dass du künftig
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