Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
Vom Netzwerk:
Standpauke über Männlichkeit anzuhören.
    Weder Steve noch einem der anderen Männer konnte ich gestehen, dass Joey D meine volle Sympathie und Unterstützung genoss. Wäre ich gezwungen gewesen, mit Sidney zusammenzuarbeiten, hätte ich mich genauso verhalten. Außerdem konnte ich nicht schlecht über Joey D denken, ganz gleich, was er anstellte. Ich war ihm auf ewig dankbar, dass er zu mir und McGraw damals immer so freundlich war und er mir das Bodysurfen beigebracht und die Wellen nach McGraws Kopf abgesucht hatte. Zudem wusste ich, dass Joey D auch ein Auge auf Onkel Charlie hatte, damit dessen Kopf nicht unterging. Joey D sah sich als Onkel Charlies Leibwächter und Lebensretter. Er sorgte sich wegen Onkel Charlies Spielerei. Er verteidigte Onkel Charlie in jeder Kneipenschlägerei. Und wenn Onkel Charlie eine Nacht hinter der Theke gestanden hatte, putzte Joey D später die Flecken und Spritzer weg. »Verdammt nochmal«, sagte Joey D und rieb eifrig. »Wann begreift Chas endlich, dass nur eine saubere Bar eine glückliche Bar ist.« Dann schnappte er sich eine Drahtbürste und polierte die Kerben, die Onkel Charlie vor Wut oder Begeisterung mit einer Flasche ins Holz geschlagen hatte. Für mich sprach daraus Liebe.
    Im Unterbewusstsein gefiel mir und beneidete ich auch ein wenig die Art, wie Joey D seine Wut abbaute. Wenn eine Frau ihm das Herz brach, brach er zum Ausgleich jemand anderem ein paar Knochen. Seinen Frust wegen Josie ließ er gnadenlos an Betrunkenen aus, die im Publicans Streit suchten, und zwar mit Stil. Die Kneipenschlägerei war Joey Ds Kunstform. Was für Hemingway der Stierkampf, war für Joey D der Barkämpfer war ein Anwender, ein Kenner, ein Apologet. Einmal fragte ich Joey D, in wie viele Schlägereien er im Laufe der Jahre verwickelt war, und er fing verzückt zu zählen an, wie Casanova, der sich an seine vielen Frauen erinnert. »Mindestens dreihundert«, sagte er. »Und ich hab nur eine verloren.« Er verstummte nachdenklich. »Das heißt«, sagte er, »wenn ich mich recht entsinne, war das eher ein Unentschieden.«
    Seine Sternstunde hielt Joey D für gekommen, als irgendein Dickschädel, nachdem er aus dem Publicans geflogen war, einen Pfosten hinten aus dem Zaun riss und die Gäste damit bedrohte. Joey D fing den Pfosten mitten in der Luft, entwand ihn seinem Kontrahenten, brach ihn über dem Knie entzwei und schlug den Kerl k.o. »Ich will nicht angeben – versteh mich nicht falsch –, aber das war das Coolste, was ich jemals brachte.«
    Dascoolstewasichjemalsbrachte.
    Das Geheimnis beim Kämpfen, erklärte mir Joey D, liege in der Lo-ckerheit. Um einem Gegner den Hintern zu versohlen, müsse man erst mal den eigenen entkrampfen. Weiche Faust, harter Schlag. Es habe sehr viel mit Zen zu tun, was aus dem Munde eines schlichten, bodenständigen Burschen wie Joey D ziemlich merkwürdig klang. Aber es stimmte. Die entspannteste Miene auf seinem Muppet-Gesicht hatte ich gesehen, als er mich vor der schlimmsten Prügelei meines Lebens rettete. Dazu kam es, als ein Großmaul eine verbale Auseinandersetzung mit Onkel Charlie anzettelte. Es gab eine lange Liste von Namen, die keiner zu Onkel Charlie sagen durfte – Baldy, Kojak, Egg Head, Penis Top, Mr Clean – und das Großmaul benutzte sie alle in einer schockierenden Schmährede. Als ich vortrat, um meinen Onkel zu verteidigen, packte mich das Großmaul am Kragen und ballte die Faust. Es fehlte nicht viel, und ich wäre mit gebrochener Nase durchs Fenster geflogen, aber Joey D machte einen Satz über die Theke wie ein Gewinner der U.S. Open übers Netz. Sein Gesicht werde ich nie vergessen – es hatte den gleichen ruhigen Ausdruck wie damals am Gilgo Beach, als er sich auf dem Rücken treiben fließ; dann servierte er dem Großmaul einen Schlag, der einem Ass von McEnroe würdig war.
    Ich ließ General Grant stehen und ging mit meinem Glas zu Joey Ds Thekenende. Ich setzte mich zu ihm, während er Josie beobachtete und sich bei seiner Maus beklagte. Wenig später kam die Softballmannschaft des Publicans zur Hintertür herein. Sie hatten Kilmeade’s dank eines grandiosen Spiels von Cager geschlagen. Trotz der tief in die Stirn gezogenen Schildkappe sah ich das triumphale Grinsen auf seinem dreckverschmierten Gesicht. Er sah aus, als kehrte er gerade von einer erfolgreich durchgeführten Mission zurück. Es lag weniger an Cager, als an mir, dass ich in seiner Schildkappe immer einen mit Netz verhängten Helm sah und in seinem

Weitere Kostenlose Bücher