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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Mannes richtig zu schreiben.«
    Mir war Bob the Cops strenger Blick nicht entgangen. Ich dachte, er würde aufmerksam zuhören, aber jetzt merkte ich, dass ihn mein Monolog erbost hatte. Er wirkte tief getroffen, als fühlte er sich schlecht behandelt, und sein Blick war so durchdringend, dass er mich fast ernüchterte. Er wollte mir etwas sagen, etwas Wichtiges. Doch was immer es war, er schluckte es hinunter. Ich sah, wie er im Geiste einen anderen Kurs einschlug.
    »Warum solltest ›ausgerechnet‹ du den Namen eines Mannes richtig schreiben?«, fragte er.
    »Weil …«
    Jetzt musste ich schlucken. Ich hätte ihm erklären können, warum mir Namen wichtig waren, doch für diesen Tag fühlte ich mich schon genug bloßgestellt. Als ich den Kopf schüttelte und sagte, vergiss es, blickten wir beide geradeaus auf Crazy Janes Buntglasgenitalien und schwiegen. Schließlich legte mir Bob the Cop eine Hand auf die Schulter. »Morgen gehst du in die Redaktion«, sagte er, »und tust so, als hätte es den Vorfall nie gegeben. Nein. Tu nicht so, als hätte es ihn nicht gegeben. Sonst halten sie dich für verrückt. Tu so, als hätte es ihn gegeben und zeig ihnen, dass du darüber stehst.«
    »In Ordnung.«
    »Vertrau mir. Das Ganze ist kein Problem, J.R. Du hast keine Ahnung, was ein richtiger Fehler ist.«
     
     
     
37 | BOB THE COP
     
    Mit dem Ende meines Probemonats endete auch meine Trockenzeit. Ich kehrte wieder rund um die Uhr im Publicans ein, und zwar mit aller Macht. Ich vergrub mich in der Bar, verschanzte mich in der Bar, gehörte zum Inventar der Bar wie die Musikbox und Fuckembabe. Ich nahm meine Mahlzeiten im Publicans ein, zahlte meine Rechnungen im Publicans, erledigte meine Telefonate vom Publicans aus, huldigte den Feiertagen im Publicans, las und schrieb und sah fern im Publicans. Auf manchen Briefen gab ich das Publicans als Absender an. Es sollte ein Scherz sein, aber eine Lüge war es auch nicht.
    So wie ich essen und trinken musste, brauchte ich das tägliche Hallo an der Theke, die Zuwendung und Aufmunterung, als wäre alles mit mir und der Welt in bester Ordnung. »Ich glaub, mein Schwein pfeift«, sagte ein Barkeeper immer. »Schön, dass du kommst, aber danke!«
    »Hallo Fremder, was treibst du in dieser einsamen Gegend«, sagte ein anderer oft. »Wen-haben-wir-denn-da«, sagte Onkel Charlie immer, meine liebste Begrüßung von allen. Als ich eines Abends durch die Tür kam, sah ich Joey D hinter der Theke. Er blickte von seiner Zeitung auf. »Ist ja wie am Bahnhof«, sagte er grinsend. »Jede Menge halbseidene Gestalten.« Ich zeigte auf Bob the Cop. »Aber hier ist Endstation, denn an ihm kommt keiner vorbei.« Bob the Cop gluckste, Joey D klatschte Beifall. »Verdammt gutes Comeback!«, sagte er – Verdammtgutescomeback! – und mein Abend war gelaufen.
    Manchmal kam mir die Bar wie der schönste Ort auf der Welt vor, dann wieder wie die Welt selbst. Nach einem besonders schrecklichen Tag in der Times traf ich die Männer in einem Kreis an Onkel Charlies Thekenende. Vor ihnen lagen Cocktailgarnierungen in Form des Sonnensystems, eine Zitrone stellte die Sonne dar, und sie bewegten eine Olive um die Zitrone, um zu erklären, warum es in New York früher dunkel wird als in Kalifornien, warum sich die Jahreszeiten ändern, wie viele Jahrtausende uns noch bleiben, bevor alles in Stücke fällt. Ich stand hinter ihnen und ließ mich von ihrer Unterhaltung umschwirren. Was ist eigentlich ein schwarzes Loch? Ein Ding, das alles verschlingt, was ihm in die Quere kommt. Also wie meine Ex? Ja, nur nicht so riesig. Das sag ich ihr, dass du das gesagt hast. Ein schwarzes Loch ist wie der Grand Canyon, aber unersetzlicher, wegen der Beschwerkraft. Das heißt Schwerkraft, Schwachkopf, und unersättlicher, nicht unersetzlicher. War doch nur ein Versprecher. Sagen wir es doch so: die Schwerkraft ist alles in allem unersetzlich, und deine Ex ist alles in allem unersättlich. Bitte nimm keine Olive als Erde, ich hasse Oliven. Was hast du gegen Oliven? Kerne – ich hasse Essen mit Hindernissen. Wer verdammt hat den Mars gefuttert? Entschuldige, aber wenn ich eine Kirsche sehe, kann ich nicht an mich halten. Wie groß ist eigentlich die verdammte Erde? Fünfundzwanzigtausend Meilen rund. Könnte man fast zu Fuß machen. Du gehst doch nicht mal zur Ecke, um die Daily News zu holen. Willst du damit sagen, dass sich jeder in diesem Laden mit siebenundsechzigtausend Meilen pro Stunde dreht? Kein Wunder, dass mir

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