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Tender Bar

Tender Bar

Titel: Tender Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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versuchen.
    Auf der Fahrt zur Kirche unterhielten wir uns über Steve, denn alles erinnerte an Steves Beerdigung. Aus allen Richtungen strömten Trauergäste herbei, weit mehr, als die Kirche fassen konnte. Ich erkannte Dutzende Gesichter, darunter auch einen Mann, der wie eine ältere Ausgabe von Colt aussah. Natürlich war es eine ältere Ausgabe von Colt. Aus irgendeinem Grund ging er mitten auf der Straße. Jimbo und ich winkten, und ein grauhaariger Colt winkte wie im Traum zurück.
    Jimbo parkte, und wir rannten zur Kirche. Unser Rennen war zwecklos. Jeder Platz war besetzt, die Leute drängten sich bis vor den Eingang. Die obere Treppenstufe erinnerte an die Theke im Publicans, circa 1989 – Cager, Joey D, Don. Ich umarmte sie und gab ihnen die Hand. Von innen hörten wir, wie sich Peters Vater durch die Lobrede kämpfte. Wir standen auf den Zehenspitzen, um etwas zu sehen. Als Peters Vater vor Verzweiflung nicht mehr fortfahren konnte, blickten wir zur Seite und wischten uns die Tränen aus den Augen.
    Hinterher trafen Jimbo und ich Steves Witwe Georgette im früheren Publicans. Steve war tiefer in Schulden verstrickt gewesen, als wir wussten, und das Geschäft war schneller zurückgegangen als wir befürchteten, doch Georgette hatte länger durchgehalten, als die meisten ihr zugetraut hätten. Sie versuchte alles Mögliche, ließ sogar Rock’n’Roll-Bands live spielen, bevor sie den Laden 1999 endgültig aufgab. Lange vor dem Verkauf jedoch musste sie Onkel Charlie feuern. Er konnte für keinen anderen arbeiten, sagte sie, nur für Steve. Seine ruppige Unverschämtheit hatte sich verändert, war nicht mehr komisch, sondern nur noch unangenehm.
    Auch um Opas Haus kümmerte er sich kaum, noch weniger als Opa. In der Zeit, als er dort allein wohnte, hatte er das Haus versehentlich in Brand gesetzt, aber vielleicht steckte auch einer seiner Gläubiger dahinter. In der Stadt kursierten alle möglichen Gerüchte. Als das feuerbeschädigte Haus verkauft wurde, verließ Onkel Charlie den Bundesstaat New York, gab sich einem rastlosen Ruhestand hin und tauchte schließlich ganz unter. Vermutlich hatte ich immer befürchtet, dass Onkel Charlie verschwinden könnte und er ein weiteres Mitglied der Familie wird, das einen rätselhaften und dramatischen Abgang macht. Als es dann jedoch so weit war und er eines Tages einfach von der Bildfläche verschwand, traf es mich doch wie ein Schock.
    Die neuen Besitzer des Publicans nannten die Bar in Edison’s um und gestalteten den Barraum auf vielfache Weise dezent um. Ich hatte den Eindruck, als begegnete ich einer alten Freundin, die sich einer unnötigen Schönheitsoperation unterzogen hatte. »Wenigstens der lange Tresen ist noch das«, sagte Jimbo und strich über das Holz.
    »Und die gleichen Hocker«, sagte ich.
    Wir setzten uns an Peters Ende und brachten zu seinem Gedächtnis einen Toast auf ihn aus. Ich stieß mit Ginger-Ale an.
    »Trinkst du nicht mehr?«, fragte Jimbo.
    »Nein.«
    »Seit wann?«
    »Zehn Jahre. Entweder oder …«
    Ich erging mich nicht in langen Erklärungen. Ich wollte nicht die vielen Gründe auflisten, warum das Trinken – neben Rauchen, Glücksspiel und vielen anderen Lastern – für mich seinen Reiz verlor, nachdem ich das Publicans verlassen hatte. Ich wollte Jimbo nicht erklären, dass für mich das Nüchternwerden wie Erwachsenwerden war – und umgekehrt. Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich Trinken und Versuchen als gegensätzliche Reize empfand und ich, sobald ich mit dem einen aufhörte, automatisch mit dem anderen begann. Ich wollte nicht sagen, dass mir manchmal spätabends, wenn ich an Steve dachte, ganz kalt in der Magengrube wurde, weil ich mich fragte, ob er für unsere Sünden gestorben war. Wäre Steve am Leben geblieben, hätte ich weiter in seiner Bar gelebt, und letztendlich war eine Bar in Manhasset vielleicht doch nicht der beste Platz für mich. Ein Veteran im Publicans sagte mir oft, Trinken sei die einzige Tätigkeit, bei der man nicht besser werde, je öfter man sie ausübe, und als ich aus dem Publicans trat, begriff ich die Scharfsinnigkeit dieser Bemerkung. Von alldem sagte ich nichts zu Jimbo, weil ich nicht wusste, wie. Ich weiß es immer noch nicht. Mein Entschluss, mit dem Trinken aufzuhören, war das Einfachste, was ich je getan hatte. Dagegen zu beschreiben, wie es mir gelang und warum und ob ich irgendwann wieder trinken werde oder nicht, fällt mir weitaus schwerer.
    Vor allem aber sagte ich nichts zu

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