Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tenebra 1 - Dunkler Winter

Tenebra 1 - Dunkler Winter

Titel: Tenebra 1 - Dunkler Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Luckett
Vom Netzwerk:
vierzig Fuß tiefer gelegenen äußeren Hof. Sie würde die Leute im Nu auf die Beine bringen, wenn nötig. Ich wandte mich wieder der Beobachtung der Anhöhe zu.
    Das Tageslicht schwand rasch; der Mond, eine schmale silberne Sichel, würde spät untergehen, wurde aber jetzt von hohen, rasch ziehenden Wolken aus dem Osten verdeckt. Nicht lange, und ich konnte den Feind kaum noch sehen; die Kuppe der Anhöhe war nur durch ihren dunkleren Umriss vor dem Nachthimmel zu erkennen.
    »Sie kommen wieder. Wie gehabt«, sagte ich zu Silvus, nur um etwas zu sagen. Die üblichen Vorzeichen stellten sich ein: trockene Kehle, Magendrücken, das Bedürfnis zu reden.
    »Ja. Aber nicht wie gehabt, glaube ich.«
    Er ließ mich darüber nachdenken. Ärger mischte sich in die Furcht und die Spannung. Warum musste er immer so geheimnisvoll tun?
    In die Dunkelheit zu spähen ist ein anstrengendes Geschäft. Man weiß, was dort draußen wartet, man weiß, dass es kommt, man weiß, dass man nichts machen kann, bis es eintrifft, und man weiß, dass alle anderen genauso angestrengt Ausschau halten wie man selbst. Also kommt es kaum darauf an, ob man die Augen überanstrengt oder nicht. Man tut es trotzdem. Wir taten es zwei Stunden lang, die mir wie fünf vorkamen.
    Und man lauscht. Ich lauschte in die Dunkelheit und das Dunkel, und nach mehreren Ewigkeiten, in denen nur der Wind und die gleichmäßigen Schläge der Brandung und die eigenen gepressten Atemzüge zu hören waren, vernahm ich ein gleichmäßiges, rhythmisches Schleifen und Knirschen wie von einer Steinmühle. Es schien sich zu nähern.
    Wir hatten Fackeln in Eisenkörben an Ketten, die wir von den Zinnen hinablassen konnten, um die Mauer zu überblicken. Ich sah die wachhabende Schwester den Kopf hin und her bewegen, um den Ursprung des Geräusches auszumachen. Dann zuckte sie die Achseln. Es fehlte nicht an Feuer, und es war besser, so bald wie möglich zu sehen, womit wir es zu tun hatten. Sie nickte ihrer Fackelträgerin zu, diese hielt die Flamme an die nächste Pechnase, während eine andere einen Eimer Steinöl hineingoss. Die Wand unter uns flammte auf und erhellte die Dunkelheit auf vierzig Schritte.
    Nichts. Dann aber eine Bewegung, ein Glitzern. Kein Glänzen wie von Metall, sondern der Lichtreflex eines Kristalls. Eine Bewegung, die vorsätzlich schien, aber etwas von der ruckartigen Schnelligkeit einer Kakerlake hatte. Und dann rückten sie vor in den gelben Lichtkreis des Feuers.
    Goldgelb wie Topas waren sie, kristallin, segmentiert wie geharnischte Krieger, vielbeinig und von der Länge eines Bootes. Ich zählte neun. Sie sanken mit jedem Schritt in den weichen Boden ein, und ihre Schritte glichen denen eines Skorpions, langsam und scheinbar schwerfällig kriechend, aber doch mit der mutmaßlichen Fähigkeit zu plötzlichen schnellen Bewegungen. Sie trugen klauenbesetzte Arme vor sich her, nur waren es keine Klauen, sondern Schaufeln mit einem Daumen wie Marlspieker. Dazu scharfe Papageienschnäbel, deren Spitzen wie Enterhaken geformt waren. Das Goldgelb ging hier in ein glitzerndes Diamantengefunkel über. Schön in einer Weise, aber fremd und Furcht erregend.
    Die Armbrust- und Bogenschützen in der Galerie ließen ihre Geschosse fliegen und die Pfeile und Bolzen klapperten metallisch auf die Rückenplatten der Dinger. Sie verlangsamten ihren Vormarsch nicht, noch zeigten sie Schäden. Ballistas von den zwei flankierenden Rundtürmen versuchten sich auf die Entfernung einzuschießen und auf Schwachstellen zu zielen, wo die insektenartigen Beine aus dem Panzer kamen. Nichts. Ich sah ein Geschoss von einem blassen, halbkugelförmigen Auge abgleiten, und die Kreatur hielt keinen Augenblick in ihrem langsamen Vormarsch inne. Sie überquerten den zugeschütteten Graben, kletterten über die Gesteinsbrocken und stießen mit den Nasen an die Mauer, als wollten sie sich wie Zecken daran festsetzen.
    Die Verteidiger konnten sie jetzt erreichen. Die Pechnasen überschütteten sie mit Feuer und sie flammten auf. Das Goldgelb ihrer brünierten Körper leuchtete heller auf und schien zu glühen, aber sie blieben unbeeindruckt, betrachteten uns mit Augen, die mechanisch aussahen, insektenhaft, gleichgültig, als wir Steinbrocken und Flammen auf sie hinabregnen ließen. Und dann begannen sie mit ihren Schaufelarmen Steinbrocken aus dem Grund der Mauer zu brechen.
    Ich sah es und traute meinen Augen nicht. Der Ruf blieb mir in der Kehle stecken. Die Schaufelklingen drangen in

Weitere Kostenlose Bücher