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Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum

Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum

Titel: Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
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Unterschichten, sie badete im Lamento der ewig Zurückgesetzten, sie erblühte im formlosen Protest der Unzufriedenen, und dabei war es im Grunde egal, ob dieser Protest berechtigt war oder nicht: So lange jemand von sich behauptete, von der Ungerechtigkeit der Welt gebeutelt zu sein, würde Beverly Splett seine Beschwerde aufgreifen, überhöhen, ihr Lautstärke verleihen, rhetorischen Schliff und sie damit letztendlich so weit von der realen Welt entheben, dass sie nur noch Instrument ihres politischen Kalküls wurde. Und an diesem hatten selbst ihre politischen Weggefährten keinen Zweifel: Was schlecht für den Gegner war, war gut für Beverly Splett, und was gut für Beverly Splett war, war auch gut für die Irdische Sphäre. All das theoretische Wortgebläse, das sie in stundenlangen Reden vor einem ermüdeten Parlament in die stickige Luft zu posaunen pflegte, ließ sich letztendlich auf diese einfache Formel reduzieren.
    Als Splett in ihrem hochgeschlossenen Kostüm das Parlamentsgebäude betrat, hatte sie sich auf ihre Aufgabe gut vorbereitet. Sie war es gewöhnt, sich gut vorzubereiten: Jahrelang hatte sie ihre politische Karriere von dem Staat finanzieren lassen, den sie nun so vehement bekämpfte, als Empfängerin zahlloser Almosen, die das Direktorat spendete, um die Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten nicht überschäumen zu lassen. Damit hatten sich die Direktoren einige Exemplare wie Splett heran gezüchtet, mit denen sie sich nun auseinander setzen mussten, und das wäre auch normalerweise kein großes Problem gewesen, wenn nicht die Kriegssituation dazu gekommen wäre. Der Krieg war schlecht für die Sphäre, vor allem war er schlecht für das Direktorat … und damit war er gut für Beverly Splett.
    Die Tatsache, dass das Direktorat sie zu einem Gespräch gebeten hatte, sprach dafür. Die Einladung war nicht überraschend gekommen. Nach ihrer gestrigen Rede vor dem Parlament, in dem sie der Regierung und dem Oberkommando blindwütige Kriegstreiberei vorgeworfen und die Sphäre dazu aufgerufen hatte, den Tentakeln die Hand des Friedens zu reichen, war sie überall in den Medien. Natürlich wollten alle Frieden. Natürlich traute niemand dem durch und durch diskreditierten Regime des Direktorats zu, den Krieg zu gewinnen. Die Verschwörungstheorien, durch kleine Nebensätze und Anekdoten von Splett selbst gefördert, wo es nur ging, sprachen ohnehin alle die gleiche Sprache: Nicht die Tentakel waren die Aggressoren, es war das Direktorat, und daher war es nur recht und billig, wenn man nicht weiter kämpfte, sondern stattdessen mit den Verhandlungen begann. Je mehr die Auswirkungen der Kriegswirtschaft, die Masseneinberufungen von kampffähigen Jahrgängen und andere drakonische Maßnahmen das Leben der Bevölkerung beeinflussten, desto mehr fand Splett Zuspruch. Dass damit auch jene, die zwar dem Direktorat kritisch gegenüber standen, sich aber um eine realistische Einschätzung der Kriegssituation bemühten, völlig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwanden, war Splett nur recht. Für sie waren das alles ohnehin nur willenlose Lakaien des Direktorats, Spione und Agenten eines ausbeuterischen Systems, das sie dereinst, nach seinem unausweichlichen Zusammenbruch, durch etwas Gerechteres ersetzen würde.
    Was auch immer das bedeuten mochte.
    Es erstaunte sie etwas, dass sie von Direktor Soerensens Assistenten an der Eingangstür zum Direktoratstrakt empfangen wurde. Sie hatte sich natürlich ständig von ihren eigenen Leuten über die politischen Wellenbewegungen im Führungszirkel der Sphäre auf dem Laufenden halten lassen und wusste, dass Soerensen sicher nicht zu ihren Fans gehörte.
    Keiner der Direktoren war ihr sonderlich gewogen, doch dieser eine war sicher ihr größter Widersacher. Vorläufig hakte sie diese Beobachtung also unter dem Kapitel »symbolische Politik« ab, und man würde sehen, was daraus wurde.
    Als sie in das kleine Sitzungszimmer geführt wurde, stellte sie etwas überrascht fest, dass entgegen ihrer Annahme keinesfalls das gesamte Direktorat anwesend war. Sie identifizierte drei der vier anwesenden Männer sofort: Neben Soerensen war da Direktor Kurwat, der turnusmäßig in diesem Jahr den Vorsitz hatte und damit faktisch das derzeitige Staatsoberhaupt der Sphäre war. Allein der Anblick des dritten Mannes ließ den Zorn in ihr aufsteigen: Da saß, und das auch noch mit einem denkbar selbstgefälligen Grinsen, Admiral Oliver Sikorsky, der Oberbefehlshaber

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