Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
sein.«
»Das alles wird sie nicht misstrauisch machen?«, fragte der Pilot.
»Vielleicht. Irgendwann. Das ist ein Risiko. Aber ich möchte ja nicht lange bleiben. Mir ist klar, dass wir diese Art von Infiltration wahrscheinlich nur ein einziges Mal werden durchführen können, also muss es klappen und ich muss alle Informationen sammeln, derer ich habhaft werden kann.«
Dolcan schien immer noch nicht überzeugt. Rahel war sich sicher, dass die beiden unruhig hin- und herrutschenden Milizionäre ihn sofort auf ihr Geheiß verprügeln würden.
Rahel vermisste Li.
Sie schob den Gedanken fort.
»Wie kommen Sie wieder heraus?«, stellte Dolcan nun die letzte, konsequente Frage.
Rahel zuckte mit den Schultern.
»Wenn ich nicht entdeckt werde, genau so, wie ich hereingekommen bin – mit dem Pendelbus nach Renborn. Der fährt jeden Abend und ist voller Menschen und wird nach unseren Beobachtungen gar nicht kontrolliert. Wenn ich in Schwierigkeiten geraten sollte, werde ich direkt durch die Absperrungen in Richtung von Position Alpha zu entkommen suchen. Auch hier gilt ein wichtiger Vorteil für mich: Die Tentakel haben den Tempel recht gut gegen Angriffe von außen abgesichert – aber ich bin mir sicher, wenn der Angriff, oder wie in diesem Falle der Ausbruch, von innen kommt, habe ich den Überraschungsmoment auf meiner Seite und eine gute Chance, heil zu entkommen.«
Dolcan sah sie für einen langen Augenblick an und runzelte die Stirn.
»Ich kann Ihnen das nicht mehr ausreden, oder, Marechal?«
Rahel schüttelte den Kopf.
»Nein, Dolcan. Ich muss und ich werde es wagen.«
Der Pilot seufzte und sah in die Runde. Die beiden Milizionäre sahen ihn fast feindselig an, doch er ignorierte es.
»Nun gut«, sagte er schließlich die erlösenden Worte. »Was soll ich tun?«
Es sprach für den Piloten, dass er, sobald ihm klar geworden war, dass seine Einwände zu nichts führen würden, alles tat, um seine Rolle innerhalb des Plans zu verstehen und auszufüllen. Man einigte sich schließlich auf ein Vorgehen, das sowohl mit als auch ohne ein mögliches Eingreifen funktionieren sollte. Zwar wollte und konnte Rahel keinen regulären Funkkontakt halten, aber die Vereinbarung lautete, dass sie bei der Infiltration einen Scheinangriff mit einem extrem kurzen Funkburst auslösen konnte, den die Tentakel aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bemerken würden. Das Gleiche galt für die Rückkehr am Abend: Sollte es notwendig sein, würde Rahel auf diese Art und Weise ein Eingreifen anfordern können. Sie hoffte, dass all dies nicht nötig sein würde.
Es dauerte eine gute Stunde, dann machte sich Dolcan mit den beiden Milizionären auf den Weg. Sie würden den Scheinangriff vorbereiten und hoffentlich zur richtigen Zeit in Stellung sein. Maschek würde etwas später zu ihnen stoßen, denn als erstes begleitete er Tooma bis zum Rand von Renborn und stellte sicher, dass sie ein gutes Versteck erreichte, in dem sie den Anbruch des kommenden Tages abwarten konnte. Danach würde er sich an dem Angriff beteiligen, wenn die Zeit gekommen war. Rahels größtes Problem mit ihrem Plan war, dass sie sich exakt zeitlich aufeinander abstimmen mussten, was normalerweise – gerade angesichts der nicht vorhandenen Kommunikation zwischen ihr und den anderen – ein Scheitern förmlich einlud. Dennoch gab es keine Alternative, und ein wenig hoffte sie, dass der Glücksstern, unter dem sie seit der Katastrophe in der Bergfestung agierte, ihr weiter scheinen würde.
Dann dachte sie an Lis Tod und ihre Zuversicht begann zu wanken. Sie ließ sich nichts anmerken.
Sie brachen auf, als der Tag zu dämmern begann. Maschek und sie marschierten schweigend und in hohem Bogen um den Tempel herum. Sie kannten den Weg und würden sich trotz der langsam schlechter werdenden Lichtverhältnisse nicht verirren. Zu besprechen gab es nichts mehr. Als sie sich Renborn bis auf einen Kilometer genähert hatten und die Lichter der Siedlung deutlich zu erkennen waren, aktivierte Rahel den Tarnmodus ihrer Kampfrüstung und war auch für das geübte Auge Mascheks nicht mehr auszumachen, erst recht nicht in der Dunkelheit. Wie aus dem Nichts kam die Hand, die seine Schulter noch einmal drückte.
»Alles Gute«, murmelte Maschek in die Leere hinein, und er erhielt bereits keine Antwort mehr. Kein Laut verriet, ob sich Tooma bereits von ihm entfernt hatte. Er blieb noch einen Moment stehen, blickte angestrengt in die ungefähre Richtung, in die sie
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