Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
Anzügen und Abendkleidern erkennbar zuhause, ihre Bewegungen machten einen natürlichen Eindruck. Haark fühlte sich und seine Kleidung deplatziert, alles in ihm drängte danach, hier im Kampfanzug aufzutauchen und die Invasoren anstatt mit Smalltalk, lieber mit Sturmgewehren zu begrüßen. Doch seit ihrer erfolgreichen und friedlichen Landung hatte, so waren zumindest die offiziellen Befehle, Splett das Regiment übernommen. Das stille Einverständnis, das Haark mit Frazier, Lik und Bersson aufgebaut hatte, würde dies im Krisenfalle natürlich ignorieren, und obgleich sich der Capitaine in seiner knisternden Ausgehuniform auf dem Weg zum großen Konferenzzentrum unwohl und gereizt fühlte, war dies sicher noch nicht ernsthaft als Krise zu werten.
Splett hatte nicht die ganze Delegation zum Mitkommen aufgefordert. Die Tentakel hatten keinerlei quantitative Einschränkung vorgegeben, doch sie schien der Ansicht zu sein, dass nicht jeder gebraucht wurde. An Haark kam sie nicht vorbei – schließlich war er ausdrücklich im Ambius-System auf diese Expedition eingeladen worden – und Bersson ließ sich ebenfalls mit Hinweis auf Sicherheitsbedenken nicht abwimmeln. Frazier und DeBurenberg blieben zurück, letzterer auf eigenen Wunsch, da er mit dieser Art von sozialem Verhalten ohnehin nichts anfangen konnte und nach eigenem Bekunden Wichtigeres zu tun hatte. Lik gelang es, sich irgendwie in die Abordnung einzuschmuggeln, obgleich Splett erst gegen ihre Teilnahme gewesen war. Soerensen kam mit – Splett war nicht so dumm, ihren informellen Gegenspieler in der Delegation gleich zu Beginn zu brüskieren – und die Gruppe wurde mit drei ihrer Gefolgsleute vollständig, farblosen Anhängseln, die gerade einmal über ausreichende Autonomie verfügten, selbstständig Nahrung zu sich nehmen zu können. Haark ignorierte sie weitgehend, sie fungierten nur als Staffage zum Ruhme Spletts.
Einer der schmächtigen Tentakeltypen, der sich ihnen schlicht als »Harry« vorstellte, geleitete sie durch den frühen Abend im Park bis zur imposanten Konferenzanlage. Wenn Haark gehofft hatte, einige der »Kollaborateure« von Nahe treffen zu können, so wurde er enttäuscht. Die Tentakel hatten erkennbar nicht vor, ihre irdischen Freunde auf Lydos zu diesem Zeitpunkt einzubeziehen, weit und breit war niemand zu entdecken. Als sie einen sehr geschmackvoll eingerichteten Saal betraten, von dessen geschwungener Decke zwei teuer aussehende Kristallleuchter hingen, fand Haark im Saal nur in unterschiedliche Farben gekleidete Tentakel vor, und zwar exakt die gleiche Anzahl wie die hereinstolzierenden Terraner. Imposant war die langgezogene, mehrfach unterteilte Panoramawand aus Glas, die den Saal dominierte. Die Tentakel schienen einige gute Architekten zu haben.
Olivier war an seiner besonders reichhaltigen Kleidung sofort zu erkennen, und er war es auch, der sich vor Splett aufbaute und formvollendet verbeugte.
»Willkommen, Exzellenz, in unserem bescheidenen Refugium. Ich hoffe, Sie alle werden den Abend genießen.«
Er machte eine weit ausholende Bewegung, die das massive Buffet mit einschloss, ebenso wie die vereinzelten Esstische, an denen maximal zwei oder drei Personen sitzen konnten. Die Tentakel wollten offenbar, dass sich die Gesprächspartner vermischten, und das Ganze einen weitaus informelleren Charakter bekam, als es sich Haark vorgestellt hatte. Dieses Maß an Informalität ging aber nicht zu weit, denn nach dem Austausch von Freundlichkeiten stellte sich Olivier an das Kopfende des Saals auf eine kleine Bühne, räusperte aufmerksamkeitsheischend und begann das, was Haark bei solchen Anlässen am meisten hasste: Eine Rede. Dennoch fühlte er sich gezwungen, genau zuzuhören, denn er wollte versuchen, Hinweise auf die Absichten der Tentakel herauszulesen, obgleich er da sicher kein Profi war. Ein Blick auf Soerensen und Lik, die beide konzentriert zuhörten, bewies ihm aber, dass das wohl die richtige Taktik war.
»Geehrte Gäste von Terra, erlauben Sie mir erneut, Sie alle auf dieser Welt herzlich zu begrüßen. Es ist mir klar, dass Sie diesen Gruß mit sehr gemischten Gefühlen hören, denn dieser Planet gehörte einst zur Irdischen Sphäre und wir, die Vertreter des Tentakelreiches, haben ihn gewaltsam okkupiert. Und es ist nicht die einzige Welt, die wir erobert haben, auch dies soll hier gar nicht bestritten werden. Die Konsequenz waren Opfer auf beiden Seiten, Opfer eines Krieges, den wir nun zu beenden trachten.
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