Tentakel-Trilogie 2: Tentakeltraum
Dort, wo Olivier nur vage und nebulös gewesen war, deutete Splett mit jammerndem Unterton auf ihre Verschwörungsphantasien und ihre eigene politische Agenda hin, eine offene Einladung an die Tentakel, dies zu bestärken und sich damit zum wechselseitigen Instrument der jeweiligen Interessen zu machen. Soerensen konnte sich das Trauerspiel offenbar nicht länger ansehen und fixierte einen imaginären Punkt an der Wand, bis Splett fertig war und nach dem Beifall – enthusiastisch bei Tentakeln und Parteifreunden, spärlich beim Rest der irdischen Delegation – das Buffet eröffnet wurde. Haark war froh, dass der offizielle Teil damit geschafft war.
Das Buffet war so terranisch wie es auf Terra serviert worden wäre – entweder gehörten zu den Kollaborateuren auch lydische Catering-Experten oder die Aliens waren sehr gut darin, Kochbücher zu lesen. Nicht alles war zweifelsfrei zu identifizieren – davon ließ Haark wohlweislich die Finger – aber genug vom reichhaltigen Angebot sah essbar aus. Natürlich konnten die Speisen voller Drogen stecken, aber bereits vor Abreise hatten die Sicherheitsexperten der Flotte die ganze Delegation mit subkutanen Pharmadepots ausgestattet, in denen Gegenmittel zu allem möglichen enthalten waren. Sie würden sich automatisch freisetzen, sollte Zeugs in die Blutbahn geraten, was dort nicht hingehörte. Haark war zuversichtlich, dass ihm zumindest zur Warnung richtig schlecht werden würde.
Gerade, als er sich mit einem gehäuften Teller an einen der Stehtische gestellt hatte, gesellte sich wie bestellt ein Tentakel zu ihm. Er trug eine mehr förmlich aussehende Toga, und mit etwas Fantasie vermochte man die auf dem Stoff aufgedruckten Symbole sogar als Abzeichen deuten können. Haark war sich sicher, dass dieses Exemplar sich nicht rein zufällig bei ihm eingefunden hatte.
»Ich darf mit Ihnen speisen, Capitaine?«
»Aber sicher. Mit wem habe ich das Vergnügen?«
Der Alien stellte einen Teller mit erdig aussehendem Brei vor sich ab.
»Ich bin Capitaine Gort. Mein richtiger Name würde Ihnen wenig sagen, aber ich bin hier als militärischer Berater für die Delegation des Tentakelreiches. Ich bin, wenn man so will, Ihr Pendant.«
Somit wusste Haark zumindest, als was die Tentakel ihn sahen. Er behielt die Tatsache für sich, dass Splett ihn eher für ein lästiges Anhängsel, ganz sicher aber nicht für einen Berater hielt.
»Sie haben an der Invasion von Lydos teilgenommen?«, fragte Haark direkt. Gort zögerte.
»Nun, nein, im Grunde nicht. Als diese militärische Intervention stattfand, war ich noch nicht … ausgewachsen.«
»Für ein nur wenige Monate altes Kind machen Sie einen sehr erwachsenen Eindruck.«
Gort deutete eine Verbeugung an. Mit einem Greiftentakel führte er etwas erdige Substanz in eine Mundöffnung, in der sie mit leichtem Schmatzen verschwand.
»Unser Fortpflanzungszyklus ist eine komplizierte Angelegenheit«, erklärte der Alien. »Ich versichere Ihnen jedoch, dass ich geistig ein voll ausgebildetes, erwachsenes Wesen bin.«
»Daran zweifle ich nicht. Für einen Soldaten sind Sie aber eher schmächtig gebaut.«
»Ich bin kein Kombattant, kein Infanterist. Ich bin Taktiker und Stratege. Ich befehle, wie Sie, und andere führen diese Befehle aus. Physischer Kampf gehört nicht zu meinem Aufgabengebiet.«
»Das heißt jemand wie Sie kommandierte das Schiff, das ich in Arbedian zerstört habe?«
Gort neigte den Oberkörper zur Seite, als wolle er jemandem lauschen. Er überbrückte die Pause damit, indem er sich weiteren Brei zuführte. Haark war bei diesem Anblick der Appetit vergangen.
»Es war ein Scoutschiff, das Sie besiegt haben. Übrigens eine ausgezeichnete Leistung. Und nein, die Kommandanten der Scouts sehen anders aus. Sie sind speziell für diese schwierige Aufgabe hin ausgerichtet und sind ihr Leben lang immobil, symbiotisch mit ihren Schiffen verbunden. Ich bin mobil und kann flexibel eingesetzt werden.«
»Zum Beispiel bei Verhandlungen.«
»So ist es.« Gort schmatzte. »Sie mögen die Idee nicht.«
Haark tat dumm. »Welche Idee?«
»Die Idee, dass wir verhandeln.«
Eine diplomatische Antwort auf eine so direkte Frage zu finden, war nicht einfach. Haark suchte verzweifelt nach den Resten von Fingerspitzengefühl, die er bei sich noch vermutete.
»Ich bin mir nicht sicher, ob diese Gespräche zu einem zufriedenstellenden Ende führen werden«, stammelte er schließlich.
»Das bin ich auch nicht. Ich will noch weiter
Weitere Kostenlose Bücher