Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tentakelwacht

Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom
Vom Netzwerk:
Anzug alle möglichen Sonden in alle möglichen Öffnungen steckte. Er kannte die Kontrollen – er konnte sie blind bedienen, sollte es notwendig sein – und ließ die Prozedur mit einer stoischen Gelassenheit über sich ergehen, von der ein gutes Stück seinem wachsenden Fatalismus geschuldet war.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ihn ein Techniker, der Slaps Schweigsamkeit wohl bemerkt hatte. Seinem Tonfall war nicht zu entnehmen, ob es ihn wirklich interessierte. Es war aber die gleiche Crew, mit der er schon mehrmals geübt hatte, und alles waren anständige Leute, die ihren Job ernst nahmen und ihn um seine Aufgabe nicht beneideten. Slap musste davon ausgehen, dass der Mann nicht nur aus Höflichkeit fragte.
    »Ich habe was im Arsch stecken, das beschäftigt mich«, erwiderte Slap mit dem Anflug eines Grinsens.
    »Im Sitz auf und ab bewegen, das soll Freude bringen«, riet der Techniker und schlug Slap auf den Helm. Seit einer Minute saß dieser auf dem Kopf des Piloten und war geschlossen. Das Cockpit war mit perfekter Atemluft und ausreichend Druck versehen, aber der Befehl lautete, kein unnötiges Risiko einzugehen. Also der Helm. Slap hielt das für albern und alle wussten, dass er das Ding ablegen würde, sobald er allein war.
    Niemand würde es ihm übel nehmen.
    Die Vorbereitungsphase dauerte fast eine Stunde, dann war alles bereit. Jemand klopfte ihm noch einmal aufmunternd auf den Helm, und ganz plötzlich war Slap allein. Er schloss die Augen, ließ das NeuroLAN sein Gehirn mit Eindrücken füllen. Anfangs hatte er immer leichtes Kopfweh, wenn er die Verbindung aktivierte. Ob es der Fühler im Hintern war oder irgendein anderer Sensor: Sein Anzug verpasste ihm sofort ein leichtes Schmerzmittel.
    Slap war nur ein Beobachter. Der Countdown zum Abwurf lief automatisch, und die KI der Dicken würde die Kapsel so lange steuern, wie es möglich war, und das wahrscheinlich bis zum Ziel ihrer Reise. Slap war mehr Passagier als Pilot, was ihm angesichts der relativen Kürze seiner Ausbildung – trotz aller Intensität der Unterweisung – eigentlich ganz recht war.
    Es wurde still. Die KI zählte in seinen Kopf den Countdown hinein, Slap war zu völliger Passivität verdammt. Er warf einen Blick durch die zahlreichen Außenkameras, die ihren Datenfeed, umgewandelt in optische Impulse, direkt in sein Gehirn transferierten. Der Jupiter drehte sich vor ihm, die Atmosphäre mit ihren Streifen und Mustern war von majestätischer Schönheit. Slap wusste, dass »Atmosphäre« beim Gasgiganten ein sehr dehnbarer Begriff war. Irgendwann ging das Gas in den flüssigen Zustand über, je näher man dem Kern dieser Welt kam. Was er sah, war größtenteils Wasserstoff, angereichert mit etwas Helium und noch weniger Methan.
    Nach dem flüssigen Zustand würden die Gase irgendwann in der Tiefe aufgrund des Drucks und der hohen Temperaturen in einen festen Zustand übergehen. Hier konnte man dann fast von einer Art Oberfläche sprechen. Man wusste jedoch, dass darunter noch eine »echte« Oberfläche lag, aus Gestein und schweren Elementen, gut 20-mal so groß wie die Erde. So tief würde die Dicke mit ihrem Passagier nicht vordringen. Sie war dafür gebaut, es bis in die Ausläufer des flüssigen Aggregatzustandes zu schaffen. Darunter würde sie trotz ihrer extrem stabilen Bauweise ein Opfer der mörderischen Druckverhältnisse werden.
    Das musste auch genügen. Die Signale, die sie hinunterlockten, kamen exakt von dem Übergangsbereich zwischen flüssig und fest. Neben dem hohen Druck musste die Dicke Slap noch vor anderen Einflüssen schützen: vor den mächtigen Wirbelstürmen, die die Atmosphäre durchzogen, und vor dem starken Magnetfeld, gegen das die Sonde ebenfalls gut abgeschirmt war. Während Slap so in die wogenden Gase hinabstarrte, fühlte er sich ausgesprochen klein und verletzlich, trotz der massiven Hightech-Konstruktion um ihn herum. Er spürte wieder verstärkt Aufregung. Es war Angst , und er holte mehrmals tief Luft, um sie zu vertreiben. Dann spürte er, wie etwas Warmes durch seine Adern floss. Erneut hatte die medizinische Automatik seine Körperreaktionen gedeutet. Ein sanftes Beruhigungsmittel reduzierte seine Aufregung, ließ ihn wieder klarer denken.
    Slap wusste, dass er zu funktionieren hatte. Die Medsensoren und die Pharmabank der Sonde würden dafür sorgen, dass das auch so blieb, völlig ungeachtet irgendwelcher Spätfolgen oder Nebenwirkungen. Während dieser Mission war er nur wenig mehr als

Weitere Kostenlose Bücher