Tentakelwacht

Titel: Tentakelwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van den Boom

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Automatik eine gefährliche Grenze für erreicht hielt, gab sie ihm ein Beruhigungsmittel, das eine Art klarer, emotionsloser Kälte in ihm auslöste. Die Emotionen waren plötzlich weit entfernt von seinem Bewusstsein, wie ein störendes, aber leicht auszuhaltendes Hintergrundgeräusch. Slap wusste nicht, was ihm da verabreicht worden war, aber es machte aus ihm ein Wesen klarer Intelligenz, das sich von den chemischen Prozessen in seinem Gehirn nicht weiter beeindrucken ließ. Er hoffte, dass dieser Zustand noch eine Weile andauern würde.
    Doch selbst Hoffnung war nur noch eine sehr weit entfernte Regung, die ihn von seiner konzentrierten Beobachtung nicht weiter abhielt. Als die Kapsel die Grenze erreichte, an der die Jupiteratmosphäre flüssig wurde, gab ihm die Automatik eine weitere Dosis des Kaltmachers, wie er die Droge nunmehr in Ermangelung einer besseren Bezeichnung nannte. Die Sensoren orteten den Dodekaeder des Tores, und für einen Augenblick kalkulierte Slap die Chance, die Kapsel wieder durch den Übergang steuern zu können. Doch bereits nach wenigen Momenten bescheinigte ihm die KI, dass die Manövrierfähigkeit des Fahrzeugs dafür nicht mehr ausreichte.
    Slap sah das schimmernde Gebilde vor seinem geistigen Auge passieren und in der Ferne verschwinden.
    Der Sinkflug der Kapsel verlangsamte sich, je tiefer sie in die verflüssigten Gase eintrat. Es schaukelte mächtig. Jetzt fokussierte die KI alle Energie auf die Stärkung der Struktur der Kapsel. Slap fixierte die Anzeige. Der Druck kletterte kontinuierlich in die Höhe. Bald würde er die Marke erreicht haben, die die Höchstbelastung der Kapsel kennzeichnete. Danach mochte es noch einen gewissen Spielraum geben, da Ingenieure meist konservative Menschen waren und die Belastbarkeit ihrer Produkte eher unterschätzten, damit eventuelle Probleme nicht zu früh eintraten und anschließend niemand sie für diese verantwortlich machen konnte. Slap zollte den Konstrukteuren der Kapsel Respekt. Bisher hatte das Fahrzeug trotz aller Belastungen und Beschädigungen durchgehalten.
    Dann knackte es tatsächlich.
    Ein feines Geräusch, fast unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Doch Slap hatte es deutlich vernommen. Und die KI bestätigte ihm, dass die Belastung der Hülle sich in der Tat nunmehr auch akustisch äußere.
    Es knackte ein zweites Mal, diesmal deutlicher zu hören.
    Slap war für den Kaltmacher dankbar. Er betrachtete seelenlos, wie der von seinem Bewusstsein separierte emotionale Haushalt seines Körpers erste Anzeichen einer ausgeprägten Platzangst zeigte.
    Es war nichts, was ihn jetzt bekümmerte.
    »Ich bereite Todesinjektion vor«, teilte ihm die KI mit. »Auf Ihre Anweisung leite ich einen schmerzlosen Suizid ein. Die Wirkung des Mittels erfolgt unmittelbar. Bitte geben Sie zu gegebener Zeit den Befehl.«
    Slap hörte die Worte, doch ihre Bedeutung glitt an ihm vorbei. Es war eine Option, die er bedenken würde, wenn die Kapsel ihm nur noch wenige Minuten bis zum endgültigen Scheitern gab. Er würde sie mit klarem Verstand und kalkuliert auswählen, das wusste er nun. Und obgleich er sonst nicht viel empfand, hatte diese Erkenntnis etwas Beruhigendes.
    »Überdrucksituation in fünf Minuten Standard«, meldete die KI sowohl über das NeuroLAN wie auch akustisch, damit er es nicht überhörte. Slap aktivierte noch einmal die Funkverbindung und schob die Sendeenergie auf 110 %. Es gab eine gewisse Chance, dass das Funkgerät dabei den Geist aufgab, aber er wollte zumindest noch eine Meldung absetzen. Er überlegte nicht lange. In knappen Worten skizzierte er seine Situation und bat um Hilfe. Über die dürren Worte hinaus, die keinerlei Emotionen preisgaben, sagte er nichts. Er schickte die Nachricht und wartete.
    In ihm begannen die Gefühle zu toben . Es war, als würde ein anderer Slap mit den Fäusten gegen eine Glasscheibe hämmern, Grimassen der Angst und Panik ziehen, aber ohne, dass er zu hören war. Ein stummes Schauspiel, das immer verzweifelter wurde. Ein Slap, der voller Angst den Kopf gegen die Glasscheibe rammte. Ein Slap, der außer sich blutige Kratzspuren an seinem Gesicht hinterließ. Ein Slap, der sich wimmernd in sich zusammenrollte und versuchte, die Realität auszuschalten. Ein Slap, der hemmungslos weinte und schrie. Absolut stumm.
    Der Kaltmacher wirkte hervorragend. Slap betrachtete seine Emotionen und sah, wie die Glasscheibe all dies nicht an sich heranließ. Er blieb regungslos sitzen, betrachtete die